Riven Rock
Wogen der riesigen hölzernen Arche des Bettes, das er seinerzeit erstanden hatte, um sein Glück vom Stapel laufen zu lassen und flottzumachen, und einen Monat lang war er vereinsamt, einen Monat lang schwelgte er in Ausflüchten und Ausreden, spann an einem dichten Gewebe von Wunschdenken und federfeiner Erfindung, ehe er allen und jedem gestand, daß Rosaleen heim nach Massachusetts gefahren sei, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Und den Vater. Und ihren Bruder, den mit dem Knochenkrebs und den sechzehn Kindern.
All das schmerzte. Und hätte nie geschehen dürfen. Er wußte, wer daran schuld war – er selbst natürlich, ein Mann, der einfach noch nicht bereit war für das Joch von Ehestand und Familie. Und Katherine. Mrs. McCormick. Die Eisprinzessin. Hätte die ihre Nase nicht in etwas gesteckt, das sie gar nichts anging, dann wäre all das nicht passiert. Er hätte über Giovannella – oder wen auch immer – allmählich hinwegkommen können, bis er bereit gewesen wäre, wirklich bereit, und dann wäre die Geschichte vielleicht anders ausgegangen.
Zum Monatsende zog er aus. Er einigte sich mit dem alten Rowlings und nahm sich ein Zimmer in einer Pension beim Bahnhof, nur wenige Schritte von Menhoffs und O’Reillys Kneipen entfernt und den Läden von Spanishtown mit einem Loch in der Wand. Die Möbel verkaufte er an den Meistbietenden, und wer stand wohl als erster da für das riesengroße Bett, den Schreibtisch und das größtenteils angeschlagene Porzellanservice aus zweiter Hand? Zinnia Linnear, wie ein blaugeäderter Geier. Am 4. Juli, dem Nationalfeiertag, gab es ein Feuerwerk am Strand bei Stearns Wharf, und mindestens dreihundert Boote mit Petroleumlämpchen hatten sich auf dem glitzernden Meer verteilt wie herabgefallene Sterne. O’Kane erinnerte sich an diesen 4. Juli ganz genau, nicht nur wegen der Verkettung unglücklicher Ereignisse, die zu ihm geführt hatten, sondern auch weil Giovannella mit ihm auf der Mole saß, ihr breites, strahlendes Gesicht wieder und wieder erhellt von den flackernden Lichtstreifen aus Rot, Weiß und Blau.
Etwa um diese Zeit – im Juli oder im August – erwachte auch Mr. McCormick wieder zum Leben. Eines Morgens stand er vom Bett auf und ging duschen wie jeder normale Mensch, ließ sich ein Frühstück bringen und bat um die Tageszeitung. O’Kane war verblüfft, und auch Mart, der seine Überraschung (wie auch jede andere Emotion) nur langsam zeigte, schien beeindruckt. Tatsächlich sahen sie beide sprachlos zu, wie Mr. McCormick, angetan mit Pyjama und Morgenmantel, am Tisch Platz nahm und seinen Toast mit Butter bestrich, mit den knappen, energischen Bewegungen eines Mannes, der schnell frühstückte, bevor er zur Arbeit ging. Es war eine absolut selbstverständliche, fast schon prosaische Szene, wenn man davon absah, daß er die Butter mit dem Löffel auftragen mußte, weil Dr. Hamilton nach dem Zwischenfall mit der Gabel alle spitzen und scharfen Gerätschaften verboten hatte. Als Mr. McCormick sein Rührei aufgelöffelt hatte, kreuzbrav und sittsam, sich sorgsam die Lippen mit der Serviette abtupfte, die Glieder ein wenig streckte und nach der Zeitung griff, da schickte O’Kane Mart nach Dr. Hamilton – der Arzt mußte das selbst sehen.
Hamilton kam im Laufschritt, er rannte durch die Eingangshalle, nahm zwei Treppenstufen auf einmal und keuchte noch, während er sich auf dem Absatz vor der Gittertür zum oberen Salon das Haar glattstrich und die Krawatte zurechtschob. Er bemühte sich dennoch um einen möglichst lässigen Gang, so als ob er nur zufällig vorbeischaute, konnte aber seine Beine nicht recht beherrschen, so daß er bei etwa jedem dritten Schritt aus dem Takt geriet, als er das Zimmer durchquerte. O’Kane sah zu, wie er seinen Patienten langsam umkreiste, dabei hüpften die Augen hinter den Linsen seines Kneifers wild auf und ab, und er bewegte stumm die Lippen, so als probte er eine kleine Rede; Mr. McCormick war ganz in die Zeitung vertieft, die er nur wenige Zentimeter starr vor dem Gesicht hielt, und schien ihn nicht zu bemerken. Und dann, sehr vorsichtig, als hätte er Angst, den Bann zu brechen, versuchte Hamilton, ein Gespräch mit Mr. McCormick zu führen. »Guten Morgen, Mr. McCormick«, sagte er in seinem gewohnten heiseren Flüstern, »Sie sehen gut aus.«
Keine Antwort.
»Tja«, sagte der Doktor, rieb sich forsch und geschäftsmäßig die Hände und trat an den Rand von Mr. McCormicks Gesichtsfeld, stand ihm jetzt ziemlich nahe,
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