Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
seltsames Geräusch, auch bildete sich für einen kurzen Moment ein, dass sich eine der Säulen bewegt hätte, was jedoch nicht sein konnte.
Es dauerte eine Ewigkeit, niemand kam. Ali und Mustafa untersuchten die verdächtige Steinsäule. Ein Stück davon entfernt, entdeckten sie plötzlich, eingeritzt in die Felswand, seltsame Zeichen. Auch Rixende war ratlos. Waren dies die Geheimen Worte?
Sie warteten und warteten. Als Rixende schon beinahe alle Hoffnung aufgegeben hatte, jemals zu ihrem Bruder zu gelangen, legte sich urplötzlich eine Hand auf ihre Schulter. Sie schrie laut auf vor Schreck, denn sie hatte keine Schritte gehört, und fuhr herum. Die Muselmanen kamen mit gezückten Schwertern angestürzt. Doch es war tatsächlich Simon, der wie ein Geist hinter ihr aufgetaucht war, und die Geschwister fielen sich lachend in die Arme.
„Rixende, meine kleine Schwester!“ sagte Simon zufrieden, ohne ihre furchterregenden Begleiter aus den Augen zu lassen. „Du hast mich also endlich gefunden.“
Er sah schmal und bleich aus, doch er strahlte vor Freude. Auch er war mit einem dunklen Kapuzenumhangl angetan, an den Füßen trug er Hanfsandalen.
Rixende stellte ihm die Muselmanen vor und deutete den Grund ihres Kommens an.
Simon wurde ernst. „Dass mir die Inquisition auf den Fersen ist, habe ich bereits erfahren. Deshalb musste ich auch den Quéribus Hals über Kopf verlassen. Zwar sind wir hier sicher, deine Beschützer müssen dich jedoch jetzt verlassen, Rixende. Ich will dir nämlich etwas zeigen“, flüsterte ihr Simon ins Ohr, „das kein Andersgläubiger jemals zu Gesicht bekommen wird, kein Katholik, kein Jude und kein Muselmane.“
„Aber ich bin Katholikin“, wagte Rixende zögerlich einzuwenden.
Simon sah sie erstaunt an. „Hat man dich inzwischen getauft?“ fragte er barsch.
Sie schüttelte den Kopf.
„Gut, gib den Männern Geld und schick sie in die Herberge zurück. Sie sollen auch dein Pferd mitnehmen.“
Nur zögerlich kamen Ibrahims Männer der Aufforderung nach.
„Folge mir“, sagte Simon, als die Muselmanen nicht mehr zu sehen waren, und lief rasch auf die Stelle zu, an der zuvor die Frau verschwunden war. Beim Tropfstein angekommen, drehte er sich noch einmal zu Rixende um und meinte spöttisch:
„Selbst wenn dieser Abbéville dir höchstpersönlich bis hierher gefolgt wäre, liebste Schwester, ja gar in diesem Augenblick noch einen deiner Rockzipfel vor Augen hätte, würde er dich nun verlieren. Gib acht!“
Er legte beide Hände auf den Tropfstein, der sich urplötzlich auf wundersame Weise bewegte, mit einem leisen Ächzen zur Seite schwang und eine aus Tuffsteinen gehauene Treppe freigab. Staunend blickte Rixende in einen weiteren, zum Teil hell erleuchteten großen Saal hinab, in dem sich jedoch kein steinerner Wald, wohl aber einige hundert Menschen befanden: die Katharer.
Sie stiegen hinab. Auf halber Treppenhöhe bemerkte Rixende, dass ein langer eiserner Stab in dem Tropfstein steckte. Auf der ihm gegenüberliegenden Seite hing, an einer Kette befestigt, ein schwerer Felsbrocken, offenbar eine Art Gegengewicht. Als sie unten angekommen waren, sprangen rasch zwei Männer herbei, zogen an der Kette, und Rixende beobachtete, wie sich die Steinsäule, wie von Geisterhand bewegt, wieder über den geheimen Eingang schob.
Simon verbeugte sich vor einem bärtigen Greis, dessen kluge Augen die Besucherin aufmerksam musterten.
„Othon von Beleize“ stellte der Bruder ihr den Alten vor und neigte sein Haupt, „ein guter Freund unseres Vaters und der geniale Baumeister unserer mystischen Pforte, die es uns erlaubt, für die Dominikaner, die Schwarzkittel, unsichtbar zu werden!“
„Gebt mir einen Hebel, und ich bewege die Welt“ zitierte der Mann im blauen Kittel schmunzelnd, noch bevor er Rixende begrüßte. Dann verbeugte er sich seinerseits vor Simon. Doch der zog die Schwester bereits weiter, hin zur Familie des Soldaten Stephane, die sich über die Nachricht vom Quéribus freute.
Wohin sie auch kamen, Rixende wurde mit einem freundlichen Lachen begrüßt. Die meisten Männer, dunkel gewandet, saßen auf Felsblöcken herum oder waren mit dem Kardätschen und Weben von Wolle beschäftigt, andere standen in Gruppen in einem Kreis, um miteinander zu disputieren. In fast allen Nischen und auf den niedrigen Tischen flackerten Talglichter oder Nussöllampen. Eine Anzahl Katharer kauerte in sogenannten „Werkstätten“ – wie ihr Simon erklärte –, um dort
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