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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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nur noch hintereinander laufen konnten, die Felsendecke aber war verschwunden.
    Simon drehte sich zu Rixende um. „Nur Geduld! Es ist nicht mehr weit, Schwester.“
    Rixende erschrak einmal mehr über sein vergeistigtes Gesicht. Im Schein der Lampe schien er leichenblass, Schweißperlen standen auf seiner Stirn, seine Augen glühten seltsam. War er krank oder nur vom Fasten so bleich und mager?
    Das Wasserrauschen, von dem Rixende angenommen hatte, dass es nur in ihrer Einbildung existierte, steigerte sich allmählich. Plötzlich hielt Simon inne. Er zog Rixende in eine kleine Galerie, die sich rechter Hand auftat. Dort wurde das Rauschen zu einem wahrhaft lauten Getöse, und als Simon mit ihr an den Rand der Galerie trat und mit der Fackel in die Tiefe leuchtete, entdeckte Rixende zu ihrem Erstaunen einen See, der von einem Wasserfall gespeist wurde, der rechts von ihnen hinabdonnerte. Unwillkürlich war Rixende zurückgeschreckt. Simon beruhigte sie und entzündete eine weitere Fackel, doch alles Licht reichte nicht aus, um das jenseitige Ufer zu erhellen – so groß war die Wasserfläche.
    „Noch nie habe ich etwas derartig Schönes gesehen!“ stieß Rixende hervor, nachdem sie sich gefasst hatte.
    Simon lachte. Dann drückte er Rixende die Fackeln in die Hand, benutzte seine Hände als Trichter und schrie gegen den Lärm an: „Bist du mutig, kleine Schwester?“
    „Was hast du vor?“ rief die junge Frau zurück.
    Er deutete auf eine andere Felsspalte, zog den Kopf ein und schlüpfte hinein. Als Rixende ihm folgte, bemerkte sie ringsum Tausende winziger Kristalle, die im Fackellicht glitzerten. Hier war das Rauschen und Tosen des Wasserfalls kaum noch zu hören. Simon war stehengeblieben, um auf Rixende zu warten. „Ich werde dich nun zu unserem Heiligtum führen“, sagte er jetzt wieder völlig ernst. „Zu dem Gegenstand, mit dem man unseren Vater vom Montségur abgeseilt und zum Hüter gemacht hat. Ich habe Vater vor seinem Tod versprochen, ihn dir, wenn die Zeit gekommen ist, zu zeigen.“
    „Ist die Zeit denn gekommen?“
    Simon nickte. „Ja.“
    Rixende sah ihren Bruder fragend an.
    „Du wirst es bald verstehen, Schwester“, sagte er lächelnd und lief weiter. Der Boden unter ihren Füßen knackte bei jedem Schritt, wie Glas sprangen kleine Felsstückchen in alle Richtungen.
    „Handelt ... handelt es sich um … um irgendwelche Geheimen Worte?“ fragte Rixende vorsichtig.
    Simon fuhr herum. „Wer hat dir davon erzählt?“
    Rixende berichtete ihm von der Prophezeiung. Als sie geendet hatte, sah Simon seine Schwester an, als hätte er einen Geist vor sich.
    „Damit hatte ich nicht gerechnet“, stieß er hervor und schüttelte das Haupt. „Das Einhorn, der Steinerne Wald ... und die Geheimen Worte? All das hat dir eine Wahrsagerin prophezeit? Man sagt den Frauen aus den Schwarzen Bergen zwar nach, sie hätten das Zweite Gesicht, aber ...“
    Unruhig flackerten seine Augen im Schein der Fackel.
    „Ich verstehe das auch nicht, Bruder! Was soll ich hier?“ klagte Rixende. „Ich will keine von euch sein, und ich liebe obendrein einen Mann, der euer erklärter Feind ist - und dennoch führst du mich jetzt zu eurem Heiligtum“, sagte sie in sein Schweigen hinein. „Warum? Habt ihr keine Angst mehr, dass ich euch verraten könnte, unter der Folter beispielsweise?“
    Simon schüttelte den Kopf. „Hart und steinig ist der Weg, der zum Himmel führt. Und niemand kann uns aufhalten, weder Freund noch Feind. Aber nun komm, wir müssen weiter.“
    Der niedrige Gang bog nach links ab. Simon führte sie in eine weitere Galerie, beugte sich dort in die Tiefe und zog an einem Seil etwas herauf, das sich bei näherem Hinsehen als eine Strickleiter entpuppte. Er band das Ende der Leiter an eine der Steinsäulen. Dann forderte er seine Schwester auf, daran hinunterzuklettern. Rixende klopfte das Herz bis zum Hals. Doch niemals war sie feige gewesen. Zu allem entschlossen, kletterte sie über den Rand des Abgrunds und tastete sich dann von Seiltritt zu Seiltritt hinunter, bis sie mit den Füßen das Ufer des Sees berührte. Noch schwindlig aber unendlich erleichtert, wieder sicheren Boden unter den Füßen zu haben, beobachtete sie Simon, wie er die beiden Fackeln in einen Felsspalt steckte, und ihr nachfolgte. Unten angekommen machte er sich in einer kleinen Nische zu schaffen, wo die Katharer, gut in Werg und Leinen gewickelt, einen Vorrat an Fackeln und Talglichtern versteckt hatten.
    Unruhig spiegelte

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