Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Abbéville und dieser Neue ihre Klauen auch nach uns ausstrecken, wo man schon den seligen Fabri als Ketzer ausgemacht hat. Sie werden uns unsere Betten unter dem Hintern wegziehen, jawohl - und zuvörderst werden sie uns ins Loch werfen!“
„Jetzt beruhige dich Benete, mach dir keine unnötigen Sorgen vor der Zeit“, sagte Rixende ruhig. „Ich habe auch für diesen Fall Vorsorge getroffen. Wenn es so weit kommt, bringe ich uns alle in Sicherheit. Ich verspreche es dir. Doch zurück zu Authié. Was ist geschehen?“
„Nun, dem Herrn sei gedankt, dieser elende Verrat ist unter Authiés Getreuen ruchbar geworden. Zwei seiner Gefolgsleute haben daraufhin den Verräter auf die Brücke bei Alliat gelockt, ihn ergriffen, gebunden und hinaufgeschleppt in die Berge. Dort haben sie ihn zu einem Geständnis gezwungen. Dann ...“, Benete seufzte tief, „dann haben sie ihn kopfüber in einen Abgrund gestürzt.“
Rixende bekreuzigte sich. „O mein Gott! Dies mag weitere Gewalt nach sich ziehen. Jetzt müssen die Authiés noch vorsichtiger zu Werke gehen!“
„Habt Ihr gedacht, Herrin! Ein Authié gibt sich nicht so leicht geschlagen, auch wenn er sich in Taubenschlägen und Dachböden verstecken muss.“ Voller Stolz schlug sich Benete in die Brust. „Meine Nichte hat mir nämlich noch etwas erzählt.“
Die Köchin hielt sich die Hand vor den Mund und begann zu flüstern. „Jacques Authié - er ist übrigens seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten - besaß kurz nach dem Vorfall die Kühnheit, mitten in Toulouse zu predigen!“
„Wie? In Toulouse? Unter den Augen von ...“
„Unter den Augen der Inquisition, jawohl, stellt Euch das nur vor, Herrin!“
Benetes breites, gutmütiges Gesicht strahlte. In ihrem Herzen lagen Lachen und Weinen nahe beieinander. „Es geschah in der Kirche zum Heiligen Kreuz in Toulouse. Dort hielt er zu mitternächtlicher Stunde vor einer Versammlung katharischer Frauen eine lange Predigt, ohne dass ihn jemand daran gehindert hätte. Angeblich hat er absichtlich diesen Ort gewählt, um wieder einmal ungestört reden zu können. ´Mit den Reichtümern, die Satan zu vergeben hat, werdet Ihr nie Zufriedenheit erlangen, wieviel Ihr auch davon hättet`, soll er gesagt haben, und ´wer davon haben wird, wird immer mehr davon haben wollen.` Ach, die Leute erzählen, er redete, als spräche ein Engel!“ Benete seufzte tief.
„Das ist ja wirklich unglaublich!“ Rixende schüttelte den Kopf. „Und mutig – oder leichtsinnig, wie man es betrachtet. Nun, danken wir dem Herrn, dass beiden Authiés nichts geschehen ist!“
Ungefähr zwei Wochen vor dem großen Fest pochte jemand am späten Abend an die Tür des Roten Hauses. Benetes Sohn Aucassinne, der einzige, der noch wach war – er pflegte am späten Abend in der Küche noch einen Krug Most zu trinken -, öffnete. Ein großer, dunkelgekleideter Mann stand vor ihm im Regen. Wortlos reichte er Aucassinne einen Brief, um sogleich wieder in der finsteren Nacht zu verschwinden. Aucassinne drehte und wendete die Nachricht, er roch daran und überlegte lange, was er um diese nächtliche Stunde damit tun sollte. Benetes Sohn konnte nämlich nicht lesen. Was hätte ein Pferdeknecht auch jemals in einer Schulstube zu suchen gehabt. Sich jedoch einfach auf den Sack zu legen und den Brief zu vergessen, konnte böse Folgen haben. So stieg er hinauf zu Rixendes Gemach. Kein Geräusch, kein Lichtschein drang zur Türritze heraus. Die Herrin schlief wohl schon. Er horchte. Dann klopfte er einmal, ganz leise, dann ein zweites Mal, etwas lauter. Endlich eine Antwort:
„Wer ist da?“
„Ich bin`s, Aucassinne, Herrin! Ein Fremder stand draußen vor dem Haus und hat mir einen Brief gegeben. Vielleicht ist es wichtig!“
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Rixende die Tür aufstieß und ihm geradezu das Schriftstück aus den Händen riss.
„Gib mir deine Lampe und warte“, herrschte sie den Pferdeknecht an und warf die Tür zu. Aucassinne stand im dunklen Flur und trat von einem Bein auf das andere. Nun ja, wenn es der Herrin so gefiel, würde er die ganze Nacht im Finstern vor ihrem Zimmer ausharren, dachte er, ein wenig verärgert über ihre barsche Art.
Rixendes Herz jedoch klopfte zum Zerspringen. Sie stellte die Lampe auf den Tisch und setzte sich. Ein Fremder vor dem Roten Haus? Mitten in der Nacht? Was hatte das zu bedeuten? War Gefahr im Verzug? Eine Warnung von Authié vielleicht, eine Nachricht von Délicieux oder von ...
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