Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Rixende ernst. „Wusstest du nicht, dass sie fünfhundert Katharer lebendig eingemauert haben, in die Höhle von Lombrives?“
Nach einer Weile meinte Fulco: „Ich wusste es, und ich hatte befürchtet, dass dein Bruder unter ihnen war.“ Er dachte an Angelo und rang nach Worten, nicht um diejenigen in seinem Orden zu entschuldigen, die dieses Massaker angerichtet hatten, sondern um Rixende zu trösten. „Irgendwann wird die Grausamkeit ein Ende nehmen“, sagte er, wissend, dass es nicht die richtigen Worte waren.
„Irgendwann? Ich kann dir sagen, wann“, schleuderte ihm Rixende entgegen. „Es wird erst dann zu Ende sein, wenn Rom das bekommen hat, was es haben will.“
Fulco sah sie von der Seite an. Er bemerkte wie ihre Lippen vor unterdrückter Wut bebten.
„Dein Bruder war der Hüter des katharischen Schatzes, nicht wahr?“
Rixende sah ihm in die Augen. „Aber nun ist er tot. Was er gehütet hat, ist gut verborgen.“
„Wie kannst du das wissen?“
„Ich weiß es“, sagte sie mit Bestimmtheit, und ein Plan, der zuvor nur in Andeutungen vorhanden war, nahm plötzlich Gestalt an.
38
Als nach der Hast, die allzeit ins Gedränge
die Würde bringt, sein Fuß dann kam zur Ruh ...
Dante, Die Göttliche Komödie
„´ Si vis amari, ama!` hat schon Hekaton gesagt.“ Bruder Angelo hatte nicht lockergelassen, bis er auch Fulcos letztes Geheimnis erfuhr. Dann strahlte er Saint-Georges an. „Liebe, wenn du geliebt werden willst! Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Das sagt übrigens auch Paulus. Kämpft also nicht an gegen die Liebe, die Ihr für diese Frau empfindet, Vater Prior. Bekennt Euch vielmehr vor Euch selbst zur Aufrichtigkeit Eurer Gefühle.“
„Nun, Paulus hatte eine andere Art von Liebe im Sinn ...“ Fulco lächelte nachsichtig. Angelo hatte keine so umfassende theologische Ausbildung genossen wie er selbst.
Doch Angelo beharrte auf seiner Auslegung. „Gleichwohl ist die Liebe, die Mann und Frau miteinander verbindet, die stärkste Liebe auf Erden. Ihr sucht Gott, Bruder Fulco? In der Liebe findet Ihr ihn. Nur dort, nicht hier in unseren kalten Klöstern.“
Erneut hatten sie eine ganze Nacht hindurch miteinander disputiert, und als der Hahn krähte, fühlte Fulco sich leicht und beschwingt, so wie es einem geht, wenn man endlich einen guten Beichtvater oder Freund gefunden hat, dem man alles anvertrauen kann.
Angelo war es auch, der ihm geraten hatte, nach Carcassonne zu reiten, um Rixende wiederzusehen.
Jetzt, auf dem Rückritt – an der Porte Narbonnaise war alles gutgegangen -, fühlte er, wie eine tiefe Ruhe sich in seinem Inneren ausbreitete. Hatte er zuvor gezweifelt, ob Rixende ihn überhaupt noch sehen wollte, so wusste er nun, dass sie ihn wirklich liebte, dass sie keinen anderen jemals lieben würde. Was sie noch immer trennte, der Ort, die Umstände, das alles konnte überwunden werden.
Doch es kam anders.
In Avignon angekommen, herrschte helle Aufregung unter den Mönchen. Einer von ihnen, ein noch junger Mann, der erst vor Jahresfrist die Tonsur erhalten hatte, war schwer erkrankt. Ein Fieber, wie der herbeigezogene heilkundige Bruder Urban meinte, im frühen Sommer zwar ungewöhnlich, aber es wäre schon öfter aufgetreten. Er hoffte nur, dass es sich nicht schon wieder um das Antoniusfeuer handelte, das erst vor drei Jahren etlichen Mönchen das Leben gekostet hatte. Am vierten Tag jedoch verschlechterte sich der Zustand des Mönchs rapide. Schüttelfrost und starke Gliederschmerzen hatten sich zum Fieber gesellt, und der Mann fiel von einer Stunde auf die andere ins Koma. Urban ließ ihn sofort in eine abgelegene Kammer verlegen, fern von den anderen Kranken. Zwar hatte er noch immer das Mehl in Verdacht, das als Auslöser des Antoniusfiebers galt, aber es war sicherer so. Als am Tag darauf weitere Krankheitsfälle auftraten, beschlossen Fulco und Angelo, am nächsten Morgen nicht etwa den Stadtphysicus, sondern – wenn er denn käme – gleich den Bischof Johann von Göttingen zu Rate zu ziehen, der als berühmtester Arzt der Welt galt, seit er schon in jungen Jahren Medizinprofessor an der Universität Montpellier gewesen war. Seit kurzem weilte er in Avignon, das in jener Zeit ganze sechzehn Spitäler und Siechenhäuser besaß.
Johann von Göttingen, der sich nach seiner deutschen Heimatstadt so nannte, besah sich die Kranken gründlich. Mit leiser Stimme forderte er die pflegenden Mönche auf, die Fiebernden, die benommen schienen und deren
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