Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
wehmütig bei Abu Ras hängenblieben, der ein wahrer Meister seines Instrumentes gewesen war.
Ein letztes Mal sah sie sich gründlich nach allen Seiten um und wähnte sich schon in Sicherheit, als sie kurz vor dem Weg, der zur Höhle führte, auf einen Mann im braunen Kittel traf, der eine Axt über der Schulter hängen hatte und ein großes Reisigbündel im Nacken.
„Habt acht“, sagte er und rollte mit den Augen. Noch bevor Rixende fragen konnte, was er damit meinte, preschten Reiter heran. Königliche Soldaten! Fünf an der Zahl.
Wie groß war aber erst ihr Schrecken, als sie sah, dass sich unter ihnen ein Priester befand, ein Dominikaner. Die Inquisition.
Die Soldaten sprangen vom Pferd und versperrten Rixende und Aucassinne den Weg, den Holzfäller ließen sie laufen.
„Was habt Ihr hier zu suchen“, fragte der Anführer, ein langer Kerl mit stechendem Blick.
Rixendes Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Plötzlich waren die Geheimen Worte, die sich in ihrer Satteltasche befanden, in Gefahr, Rom in die Hände zu fallen. An sich selbst wagte sie in diesem Augenblick gar nicht zu denken. Bevor jedoch Aucassinne irgend etwas Unbedachtes sagen oder unternehmen konnte, beschloss Rixende, eine der Geschichten zum besten zu geben, die sie sich auf dem Herweg für einen solchen Fall ausgedacht hatte.
Sie beruhigte ihr Roß, das nervös tänzelte, und schaute dann auf den Dominikaner.
„Ich bin die Schwester der Herren Arnaud und Hugues de Rodes aus Tarusco – kennt Ihr die beiden vielleicht?“
Die Soldaten sahen von Rixende zum Priester. Der hob erstaunt die Brauen und nickte.
„Ja, wir kennen die Brüder de Rodes. Doch Ihr habt die Frage nicht beantwortet. Was treibt Ihr in dieser einsamen Gegend?“
„Nun, das ist schnell erklärt“, sagte sie leise. „Die Mutter meines Dieners“, sie deutete auf Aucassinne …
„Lauter, Frau, redet deutlich! Ich kann Euch nicht verstehen!“
Rixende nickte und tätschelte erneut den Hals ihres Pferdes.
„Die Mutter meines Dieners ist gestern gestorben“, rief sie nun mutig und deutete noch einmal auf Aucassinne, „und jener … ach, ich weiß nicht, Herr Prälat, ob ich es Euch überhaupt sagen soll …“
„Was ist mit ihm, Frau?“ herrschte sie der Priester ungeduldig an. „Heraus mit der Sprache!“
„Er hat jetzt auch so ein Geschwür … wollt Ihr es sehen, Herr?“
Der Dominikaner erbleichte. Er wich zurück und rutschte dabei fast vom Pferd.
Aucassinne, der sonst immer etwas schwer von Begriff war, hatte offenbar den Ernst der Lage voll erfasst. Die Herrin war in Gefahr, und er musste ihr jetzt beistehen. Er fing zu klagen und zu jammern an und zugleich, umständlich an seinem Hemd zu nesteln.
„Untersteht Euch, mir Euer Geschwür zu zeigen“, schrie ihn der Priester an und zu den Soldaten gewandt: „Wir reiten sofort weiter, an Tarusco vorbei, nach Foix. Das ist weit genug weg.“
Sie preschten los, wobei der Dominikaner im Vorüberreiten Rixende einen Blick zuwarf, der seinen Ekel und sein Entsetzen über das Gehörte nicht verbarg.
Rixende war erleichtert. Dass sie ausgerechnet die Namen der Verräter benutzt hatte, die ihren Bruder und all die anderen auf dem Gewissen hatten, gab ihr obendrein ein Gefühl der Genugtuung. Authié würde stolz sein über ihre List, wenn er es jemals erführe.
Als sie endlich in der Nähe der Höhle waren, hieß Rixende Aucassinne sich mit den Pferden zu verstecken. Sie entnahm der Satteltasche die Fackeln, Männerkleidung, ein wenig Proviant, einen Lederbeutel, der auf dem Rücken getragen werden konnte, sowie die hölzerne Kiste. Entschlossen machte sie sich an den Aufstieg. Der Höhleneingang war noch immer teilweise zugemauert, doch weit und breit traf sie auf keine Wache. Entweder hatte sich der Trupp, auf den sie gestoßen war, auf dem Rückzug befunden, oder die Inquisition hatte längst das Interesse an der Höhle verloren. Ein Haufen herausgebrochener Steine lag vor dem Eingang, obenauf eine zerbrochene Adlerzange. Vorsichtig kletterte Rixende darüber. Sie betrat die Höhle, zog die Röcke aus und die Beinlinge an, und sah sich beklommen um, soweit sie in der Dunkelheit überhaupt etwas sehen konnte. Doch ihre Angst, den Weg, den sie seinerzeit mit Ibrahims Männern gegangen war, nicht mehr zu finden, war unbegründet. Es war im Gegenteil ganz leicht, nachdem sie erst die Fackel angezündet hatte. Bald drang allerdings ein ekelerregender Geruch in ihre Nase, so dass sie sich ihr Tuch
Weitere Kostenlose Bücher