Road of no Return
Ecke bog, sah ich sie in dem kleinen Wäldchen mit kränklichen Bäumen, durch das an der Schulmauer entlang ein Fußweg führte.
Als neben der Schule ein Computerladen gebaut wurde, hatte der Stadtrat es ihnen zur Auflage gemacht, das Wäldchen zu erhalten, weil es Erholungspotenzial für die Gemeinde bot. Ich wünschte, sie hätten es abgeholzt und die Fläche zubetoniert, um den Parkplatz zu erweitern, denn so bot es eigentlich nur Potenzial für Hinterhalte und Überfälle. Ein ruhiger, grüner Ort, der Ärger geradezu heraufbeschwor. Und genau den bekam Kev.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich lieber abhauen sollte, ich stand einfach nur wie angewurzelt da, und Mickey nahm keinerlei Notiz von mir, sondern schlug Kev weiter sachlich und überlegt ins Gesicht. Kev weinte, doch er hatte die Lippen fest zusammengepresst, um keinen Laut von sich zu geben. Auf seiner Schulhose zeichnete sich ein dunkler Fleck ab, weil er sich in die Hose gemacht hatte. Mit gutem Grund, wie sich herausstellte, denn als Mickey damit fertig war, ihn ins Gesicht zu schlagen, packte er Kevs Kopf und ließ ihn auf sein angezogenes Knie krachen, dann trat er ihn in den Bauch und ließ ihn zusammengekrümmt auf dem Boden liegen. Am anderen Ende des Pfades kam ein Spaziergänger mit seinem Hund angeschlendert, ein ziemlich großer Kerl im mittleren Alter, doch als er uns sah, machte er auf dem Absatz kehrt und eilte in die entgegengesetzte Richtung
davon, einen kläffenden Jack Russel hinter sich her zerrend, der offenbar mehr auf Krawall aus war als er selbst.
Mickey nahm von dem Mann und seinem Hund keinerlei Notiz. Er strich sich das Haar glatt und klopfte ein Stückchen Baumrinde von der Jacke, die er sich dann über die Schulter hängte. Im Vorbeigehen legte er mir lächelnd die Hand auf die Schulter.
»Du bist ein cleveres Kerlchen, Nick, cleverer als er. Taffer und so.« Dann klopfte er mir leicht auf die Schulter. »Pass auf ihn auf, ja? Er braucht das.«
Ich war viel zu geschockt, um etwas zu sagen, aber das erwartete Mickey auch gar nicht. Er stieg in seinen Firmen-Mondeo und brauste davon.
Als er weg war, blieb ich in der Nähe von Kev. Ich war mir nicht sicher, ob er mich da haben wollte, aber ich wollte ihn auch nicht allein dort lassen. Ein leises Jammern erreichte mich wie aus einer anderen Dimension, aber es stammte wohl eher von Kev. Als er meine Füße sah, wurde er still. In seinen Augen standen Tränen, sein Kiefer war vor Scham und Wut fest zusammengepresst. Auf seiner Wange und am Auge breitete sich ein rötlicher Fleck aus, der ein wunderbares Veilchen ergeben würde. Ich hatte noch nie so etwas Erbärmliches und Verletzliches gesehen.
»Alles in Ordnung?«
»Ja, schon gut.« Er setzte sich auf und spuckte einen Blutklumpen aus.
»Was hast du denn angestellt?«
Er betrachtete mich vorsichtig. »Schon gut. Nichts. Ich war frech. Ist meine Schuld.«
»Tatsächlich?«
»Mein Fehler. Alles okay. Aber, du darfst es nicht erzählen …«
»Nein, natürlich nicht.« Mir gefiel, dass er nicht jammerte und sogar selbst die Verantwortung übernahm.
Aber immerhin, ich war klüger als Kev, das war amtlich. Und taffer außerdem. Man musste sich um ihn kümmern. Hat sein Bruder gesagt. Sein böser, cooler, cleverer Bruder.
Ich sah den verlassenen Weg entlang und zur Straße, dann wandte ich mich wieder an Kev.
»Das wird schon wieder.«
Damit meinte ich: Ich werde es niemandem sagen, es kommt niemand und niemand sonst hat es gesehen.
Aber ich meinte auch: Wir beide brauchen einander. Wir können uns gegenseitig nützen. Ich werde auf dich achtgeben.
So verkaufte ich meine Seele dem Teufel.
Ich habe Kev nie wieder so fertig gesehen. Was auch immer er falsch gemacht hatte, er tat es nie wieder, sondern verwendete von da an all seine Energie darauf, der Mann zu werden, den sein Bruder wollte. Ab der neunten Klasse war er groß und stark genug, die meisten Schüler einzuschüchtern, einschließlich vieler der älteren Kinder und der Hälfte der Lehrer. McCluskey machte er offenbar keine Angst, und ich glaube, dem Direktor auch nicht, aber das lag wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass das »Oberhaupt« so tat, als sei er gar nicht da. Ich wurde Kevs wichtigster Leibwächter, Henker und Vollstrecker, und obwohl ich nicht stolz darauf bin, habe
ich überlebt, und mir wurde auch nie das Handy gestohlen. Hier herrscht das Gesetz des Dschungels.
Mickey verpasste Kev zwar hin und wieder noch eine, um ihn auf Trab
Weitere Kostenlose Bücher