Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
zu halten, aber ich hatte genug von seinem hochexplosiven Temperament gesehen, um ihm aus dem Weg zu bleiben. Ich versuchte auch, Kev zu schützen, denn Mickey konnte von einer Sekunde zur anderen von coolem Charme zu apokalyptischem Zorn wechseln.
    Mickey war die einzige Vaterfigur für Kev, aber warum hätte er sich auch einen anderen wünschen sollen? Väter regten sich über den Lärm der Nachbarn auf, wurden in der sich daraus ergebenden verbalen Schlacht vernichtend geschlagen und soffen sich einen an, bevor sie ins Bett gingen. Außerdem hätte kein Vater einen der beiden im Zaum halten können. Vielleicht hätte er es sogar nur noch schlimmer gemacht. Schließlich hatten die Naughtons ihre Brutalo-Gene nicht von einer Fee in die Wiege gelegt bekommen.
    Für mich war Mickey keine Vaterfigur. Überhaupt nicht. Ich wollte ihn beeindrucken, das war alles. Ich konnte nie vergessen, wie er den iPod hatte baumeln lassen und gesagt hatte, wenn es deiner wäre, würde ich ihn dir zurückgeben. Du hast wenigstens darum gekämpft. Du bist ein guter Junge. Diese Erinnerung machte mich immer noch stolz. Ich wollte es wieder hören, das oder etwas Ähnliches.
    Der blöde iPod. Es ist doch nur ein iPod: Nie hatte Calum etwas Wahreres gesagt. Aber ich hatte wenigstens darum gekämpft.
    Deshalb habe ich ihn ihm wohl wieder weggenommen.

    Ich nahm Calum den iPod weg, weil er, moralisch gesehen, mir gehörte. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte ihn schon längst Josh der Affe gehabt, oder Mickey hätte ihn behalten. Die Hälfte der Songs war sowieso von mir. Calum war es nicht wichtig genug – weder der iPod noch sein Stolz, gar nichts –, um darum zu kämpfen. Mir schon. Mir war es wichtig.
    Und außerdem: Man schlägt nicht zurück.
    Er streckte die Hand aus und ich griff danach. Es war Spätherbst und ich hätte auf den Tag warten können, an dem er von seinem Schachclub nach der Schule nach Hause ging. Dann hätte ich ihn allein erwischt, wenn es zwischen den Lichtpfützen der Straßenlaternen schon ziemlich dunkel war. Aber das wollte ich nicht. Aus irgendeinem Grund wollte ich ihn erniedrigen. Ich wollte, dass es vor dem Schultor passierte, während ein Schwarm Kids herausstürmte, die es sahen, und die Lehrer abgelenkt waren, weil sie ihre Schreibtische aufräumten oder zu ihren Autos eilten, um schnell wegzukommen. Ich wollte, dass meine Gang dabei zusah, und ich wollte vor allem, dass Kev Mickey davon erzählte.
    Vielleicht aber wollte ich auch nur Calum nicht allein in die Augen sehen.
    Nicht dass ich Schuldgefühle hatte oder er mir sonderlich leidgetan hätte. Ich hatte nur Verachtung für ihn übrig. Er war nachtragend und zornig und ängstlich. Er hatte nicht einmal den Mumm zu sagen, nein, das ist nicht dein iPod, und du hast kein Recht, ihn zu nehmen. Er hatte nicht einmal den Mut, mich zu fragen, was mit mir los sei, obwohl er das sicherlich gerne gewusst hätte. Er gab mir das blöde Ding
einfach, und ich war so wütend, dass er nicht mal versuchte, mit mir zu reden, dass ich den iPod Kev zuwarf und auf Calum losging. Aber so richtig.
    Die reine Unterwerfung. Er war ein einziger Knoten aus Angst und Schmerz. Und je länger er sich weigerte, zurückzuschlagen, desto wütender wurde ich. Was stimmte nicht mit ihm? Ich habe mich natürlich nie gefragt, was mit mir los war, obwohl ich derjenige war, der ihn zu Boden stieß und ihm die Fäuste in seinen weichen, dummen Körper schlug. Er hielt sich die Augen zu, aber das wollte ich nicht. Ich hatte die Angst in seinem Gesicht gesehen, aber das reichte mir nicht, ich wollte unbedingt wieder in seine Augen blicken. Also trat ich mit dem Fuß unter seine Hand, und er schrie vor Schmerz auf und stieß ihn weg, doch er rollte sich sofort wieder zusammen. Aber ich wollte seine Augen sehen und deshalb stürzte ich mich auf ihn und bearbeitete seinen Kopf. Wo war der Blick, den er Josh, dem Affen, zugeworfen hatte? Den wollte ich sehen. Ich wollte meinen Dad sehen, der sich hinter Calums Augen versteckte. Komm raus, Dad, komm raus, wo immer du bist …
    Um uns herum hatte sich ein dichter Kreis von Schülern gebildet, und ich weiß noch, dass ich es genoss. Ich glaube, ich genoss es wirklich, zumindest meine ich, mich daran erinnern zu können. Es gefiel mir so sehr, dass ich nicht aufhören konnte. Sunil musste mich von ihm wegzerren, weil es auch für mich eine Grenze gab, was ich mir erlauben konnte. Ich trat Calum zum Abschied noch einmal in die Eier und taumelte,

Weitere Kostenlose Bücher