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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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du mich darum bittest.« Er warf Calum den iPod verächtlich zu und zwinkerte mir zu. »Du bist ein guter Junge.«
    Ich schwitzte, wischte mir Blut von der Nase und rang nach Luft, doch ich erinnere mich noch gut daran, dass ich vor Macho-Stolz geradezu anschwoll, als Mickey abzog, ohne sich noch einmal umzusehen. Ich sah zu Calum hinüber. Vielleicht erwartete ich ein wenig Bewunderung. Vielleicht auch ein wenig Dankbarkeit.
    Herrje! Ich hatte vergessen, dass er sich plötzlich in einen Klon meines Vaters verwandelt hatte. Auf seinem zerschrammten Gesicht zeigte sich lediglich Ärger.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte er.
    Ich war sprachlos.
    »Es ist nur ein dämlicher iPod«, schrie er mich an, obwohl ihm die Tränen in den Augen standen. »Man schlägt nicht zurück! Das sagt jeder! Sie hätten ein Messer haben können oder so!«
    Fasziniert starrte ich ihm nach, als er abrauschte.
    Genau so regte Dad sich künstlich auf.
    Man schlägt nicht zurück. Genau. Daran sollte ich lieber
denken. Zu Hause lernte ich so etwas im Anschauungsunterricht.
    Ich beobachtete weiter. Ich verpflichtete mich zu nichts, zumindest nicht während der ersten Wochen, obwohl Kevin Naughton plötzlich versuchte, mein bester Freund zu werden. Er sprach mich auf dem Schulhof an, fragte mich, wo ich zur Grundschule gegangen sei, welche Teams und Bands ich mochte, oder was ich von diesem und jener und allem hielt. Er schmeichelte mir mit Fragen, auf die er die Antwort mit Sicherheit schon kannte.
    »Mein Bruder findet dich klasse«, sagte er. Und ich dachte an Mickey, der so obercool und gelassen war, so clever und professionell, so brutal und einschüchternd. Es hätte mich stutzig machen sollen. Doch stattdessen platzte ich fast vor Stolz.
    Calum zeigte mir mittlerweile die kalte Schulter, und mir fiel auf, dass es mir egal war, besonders, als mir klar wurde, dass er jetzt ein wenig Angst vor mir hatte. Ich bin nicht wirklich mit der Absicht in die Schule gegangen, mich mit den falschen Leuten einzulassen. Ich habe nicht gleich am ersten Tag beschlossen, aus der Liga der Guten abzusteigen. Aber ich hatte gehört, dass man an der Craigmyle High durchgekaut und ausgespuckt wurde, und es gab viele Dinge, die darüber entschieden, in welcher Verfassung man war, wenn man am Ende seiner Schulzeit benommen in einer Pfütze aus Spucke saß. Und die Lehrer spielten dabei noch die geringste Rolle.
    Ich hatte vor, ein Mensch zu bleiben, oder zumindest menschlich. Immer noch Nick, sozusagen. Ich wollte mich
nicht zu etwas Unkenntlichem umformen lassen oder – Gott bewahre – zu etwas wie Dad. Wie mein Ex-Freund Calum …
    Man schlägt nicht zurück. Nun ja. Die Lektion wirkte gerade mal zwei Tage.
    Ich wäre gerne einer von den Guten. Wer wäre das nicht? Aber auf keinen Fall wollte ich ein Opfer sein. Ich wollte mich nicht jeden Tag wieder erniedrigen und schikanieren lassen, um dann verbittert nach Hause zu kommen und meine Scham und Wut an meinen Kindern auszulassen. So eine tragische Größe würde ich nie erreichen. Ich würde mir nie so einen mickrigen Pferdeschwanz wachsen lassen, nur damit andere daran reißen konnten.
    Das darf man nicht falsch verstehen: Mein Vater hat mich nur ein einziges Mal wirklich geschlagen. Aber ich werde niemals die Scham und die Wut in seinen Augen vergessen. Ich war damals elf Jahre alt. Es war der letzte Schultag in der Grundschule, und ich war wahrscheinlich ein wenig übermütig.
    Dad hatte sich nach einer Auseinandersetzung mit seinem Chef mit Mum gestritten. Das geschah häufiger, und er regte sich dabei immer so auf, dass er damit drohte, zu kündigen, wenn man ihm nicht etwas mehr Respekt entgegenbrachte. Da seine zahlreichen Arbeitgeber diese Forderung offenbar genauso lächerlich fanden wie ich, endete es immer gleich: mit einem Monat Kündigungsfrist und einem Entlassungsschein. Genau das war wieder geschehen, und Dad war wohl nicht in der Stimmung, sich schräg ansehen zu lassen. So etwas passiert, wenn man es zu lange zulässt, dass die ganze Welt auf einem herumtrampelt.

    Ich allerdings war entsetzt. Entsetzt von seinem Gesichtsausdruck, dem Geruch nach Whisky am Mittag und vor allem, als er sich umdrehte und mir die Faust auf den Wangenknochen unterhalb des Auges knallte. Ich war so erstaunt, dass es anfangs nicht einmal wehtat. Ich schlug nicht zurück und lief auch nicht weg, ich konnte einfach nicht fassen, was er getan hatte, und das nur, weil ich einen schlechten Scherz darüber gemacht

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