Road of no Return
Freundin.
»Alles in Ordnung?«, rief sie.
»Ja!« Mehr brachte ich wegen meiner klappernden Zähne nicht hervor, denn ich wollte mich nicht verraten. Ich wollte lieber in Würde sterben. Das Wasser schwappte mir unschuldig um die Schultern, während mich die See sanft immer weiter in Stille und Unendlichkeit hinauszog. Es war so still, dass ich die Wellen an den Strand schlagen hören konnte, der so weit weg war.
Sie blickte aufs Meer, während das Schlagen und Rauschen der Wellen in meinem Kopf hallte und ihn hämmern ließ. Ich wünschte, es würde aufhören, damit ich sie atmen hören konnte. Auf diese Entfernung? Blödsinniger Wunsch. Als ob es dem gnadenlosen Meer auf einem gleichmütigen Planeten
in einem unvorstellbaren Universum irgendetwas ausmachte, ob es mich gab oder nicht. Plötzlich hätte ich am liebsten geweint.
»Du bist zu weit draußen!«, schrie sie.
»Nein, bin ich nicht.«
Aufprall, Rauschen, Zischen auf dem Kies.
»Doch!«
Aufprall, Rauschen, Zischen. Aufprall, Rauschen, Zischen.
»Komm ein Stück zurück!«
Nein! , wollte ich schreien, aber in meinem Kopf tobten Kaffee und kalte Angst. Möglichst gelassen machte ich ein paar Züge zum Ufer hin. Dann ein paar mehr, schneller und stärker, direkt gegen die Strömung. Ich schnappte nach Luft, kriegte den Mund voll Nordseewasser und bekam Panik. Zum Glück war die Reaktion meines Körpers auf die Panik, hektisch loszukraulen, anstatt nur um mich zu schlagen, bis ich versank. Zehn Meter, dann noch einmal zehn. Es dauerte länger, als mir lieb war, bis ich mit den Zehen auf Sand stieß. Noch zwei Züge. Panik, das war alles. Der Sog der Ebbe war schwächer gewesen, als ich es verdient hatte, und ich konnte wieder stehen.
Orla trat einen Schritt zurück. Ich beobachtete sie. Ich war immer noch ein gutes Stück vom Ufer weg. Wie schnell konnte ich im brusttiefen Wasser rennen? Konnte ich sie einholen, bevor sie an der Treppe war? Konnte ich sie in den Sand werfen, bevor sie auf die Promenade flüchtete?
Nein, entschied ich. Ich grub die Zehen fester in den fließenden Sand, blieb aber bis zum Hals im Wasser und bewegte die Arme unter der schwarzen Wasseroberfläche. Ich
tat so, als würde ich immer noch Wasser treten, während ich mich ihr langsam näherte. Sie trat noch einen Schritt zurück. Sie hatte mich durchschaut.
»Orla«, sagte ich.
»Was?«
Bitte tu das nicht , wollte ich sagen, das, oder Verpiss dich, bevor ich dich umbringe , aber ich konnte mich nicht entscheiden, also sagte ich keins von beiden. Sie blieb reglos stehen.
Kurz darauf neigte sie den Kopf, nahm ihr Haar in eine Hand und zog es vor ihre Schulter, um sich einen langen Zopf zu flechten. Fasziniert sah ich zu.
Das Verrückte daran war, dass ich immer noch darüber nachdachte, sie rugbymäßig in den Sand zu werfen, aber nicht, weil ich wütend war.
Das Ende des Zopfes ließ sie einfach offen hängen und warf die Jacke ab, die achtlos in den Sand fiel. Darunter trug sie ein Trägertop mit einem Glitzerstern zwischen den Brüsten. Ich konnte ihre BH-Träger sehen und ihren Bauchnabel, wo ein weiterer kleiner Metallring blitzte. Orla war nicht mager oder dürr, aber ihr Bauch hing ihr auch nicht über den Gürtel, er sah genauso hart und stark und fest aus wie alles andere an ihr. Ich schluckte, bekam noch einen Schwung Wasser in den Mund und hustete. Meine Glieder waren schon wieder ganz taub.
Sie trat die Sandalen weg und zog den Rock aus, doch zu meinem Ärger zog sie weder das knappe Top noch die Unterwäsche aus. Sie ging ins Wasser, zögerte und watete dann weiter. Sie sah mich nicht an. Sie zitterte nicht, erschrak nicht, quiekte nicht. Sie ging einfach weiter, bis ihr das Wasser
bis an die Schenkel, die Taille und die Brust reichte, dann stieß sie sich ab und schwamm in meine Arme.
Ich war so verdutzt, dass ich fast vergessen hätte, die Arme um sie zu legen. Doch ich tat es und ich spürte auch ihre Arme um meinen Rücken. Wieder zitterte ich.
»Dir ist kalt«, stellte sie fest, gerade als ich sagte: »So kalt ist es gar nicht.«
Ihr Zopf schwamm neben ihrem Kopf, ohne sich aufzulösen, wie eine dicke, glatte Wasserschlange, die sich mit den schwarzen Wellen hob und senkte. Ich betrachtete ihn wie hypnotisiert und richtete meinen Blick dann auf ihr Gesicht. Orla Mahons Gesicht, nur eine Handbreit von meinem entfernt. Ich sah auf ihren Nasenring, dann in ihre schwarz geschminkten Augen, dann auf ihren Mund, der sich leicht öffnete. Ihre Zunge fuhr
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