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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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steckte sich einen neuen Kaugummi in den Mund. Den alten wickelte sie in ein Busticket und warf ihn auf den Sand hinter dem Kies.
    Das Wasser war mit der Ebbe schon ziemlich weit abgelaufen, das Meer lag ruhig und glänzend schwarz da. In fünfzig Meter Entfernung trafen träge Wellen auf den Strand, nur ganz am Ende kräuselte sich leichter Schaum. Weiter draußen,
Richtung Hafen, blinkten weiße und orange Lichter, aber vor uns war alles tiefschwarz. Im Meer spiegelten sich keine Sterne. Wenn es am Himmel welche gab, dann wurden sie von der Stadt überstrahlt.
    Im Winter, erinnerte ich mich, wenn der Nordostwind Eiskristalle über die Promenade fegte, konnte man kaum die Hand auf dieses Geländer legen, ohne daran festzufrieren. Wenn man sie wegzog, blieb die Haut kleben. Wieso musste ich jetzt daran denken?
    Ich riskierte einen Blick zur Seite. »Dieser Nasenring …«
    »Jaaa?«
    »Na ja. Wenn es kalt ist, ich meine richtig kalt … kriegst du dann so was wie Erfrierungen davon?«
    Resignierend sackte ihr Körper gegen das Geländer. Sie legte den Kopf auf die Arme und drehte ihn seitlich, um mir einen vernichtend ungläubigen Blick zuzuwerfen.
    Ich schätze, das hieß Nein.
    »Schöne Nacht«, sagte sie.
    »Das Wasser ist wahrscheinlich eiskalt.«
    »Na, starker Mann«, neckte sie. »Ich dachte, du wolltest schwimmen gehen?«
    Ich dachte, du auch. Doch ich sagte nur: »Ja« und zog mir das T-Shirt über den Kopf und stieß die Turnschuhe weg. Nacheinander zog ich mir die Socken aus. Immerhin war ich noch schlau genug zu wissen, dass man die Socken vor der Jeans auszog, um nicht völlig bescheuert auszusehen. Nach der Jeans würde allerdings der knifflige Moment kommen, daher ließ ich sie erst mal an.
    Ich tauchte unter dem Geländer durch und ließ mich an
einer Hand an der Promenadenmauer hinab. Sie war an dieser Stelle etwa vier Meter hoch und ziemlich steil. Ich konnte mich abstoßen, versuchen hinunterzulaufen und würde wahrscheinlich mit dem Gesicht voran in den Kies fallen. Oder ich konnte loslassen und hinunterpurzeln. Es wäre wohl schlauer und cooler gewesen, die Treppe zu nehmen, aber da es jetzt zu spät war, um schlau zu sein, wählte ich das kleinere von zwei Übeln, ließ das Geländer los und fiel halb und rutschte halb zum Strand hinunter. Das sah wohl noch relativ gut aus, und ich schaffte es sogar, nicht laut aufzuheulen, als mir die Mauer die Haut an den Rippen aufschürfte.
    Ich sah hinauf, Orla sah hinunter. Ich konnte erkennen, wie sie ihren Kaugummi mahlte.
    »Kommst du?«
    »Gleich«, sagte sie. Sie nahm ihren Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn ans Geländer. Ein Licht blitzte auf und beleuchtete kurz ihr Gesicht, dann brannte das Ende einer Zigarette hell und scharf.
    Ich zog die Jeans aus und zögerte einen Augenblick. Es wäre natürlich cooler und taffer, die Unterhose auch auszuziehen, allerdings auch ein kleines bisschen schmerzhafter, wenn ich ins Wasser ging.
    Ich entschied, dass ich so in Unterwäsche nicht sehr lässig aussah, im Prinzip sogar eher ein wenig zimperlich. Zum Teufel noch mal. Mit einem letzten prüfenden Blick nach möglichen Passanten – ich wollte schließlich nicht verhaftet werden – zog ich die Unterhose auch aus. Wenn, dann am besten schnell. Ohne einen Blick zurück zu Orla lief ich über
den Sand und weiter ins Wasser, bis mich die Tiefe und die Kälte schließlich bremsten.
    Nicht quieken, dachte ich und biss die Zähne zusammen. Das tun nur Mädchen.
    Es war gar nicht so schlimm, als ich erst mal drin war. Es war schließlich noch August, und irgendwann kam sowieso der Punkt, an dem man so taub gefroren war, dass man nichts mehr spürte. Mit ein paar hektischen Zügen versuchte ich, warm zu werden, dann strampelte ich mit den Beinen, wischte mir das Salzwasser aus dem Gesicht und betrachtete das ferne Glühen von Orlas Zigarette. Jetzt, da ich die Kälte nicht mehr so sehr spürte, fühlte ich umso mehr, wie das Salz in den schönen neuen Kratzern an meiner Seite brannte. Das würde morgen früh bestimmt super aussehen.
    Ich trieb auf dem Rücken und sah nach oben. So langsam machte mir die Sache wirklich Spaß. Die Wellen waren beruhigend klein, wiegten mich und spritzten mir Wasser ins Gesicht, sodass ich die Augen schloss. Als ich sie wieder aufmachte, stellte ich fest, dass da doch Sterne am Himmel waren. Von hier draußen aus konnte ich sie sehen, nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Den linken Fuß des Orion glaubte ich

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