Road of no Return
und Orla in die schwarz umrandeten Augen blicken, während sie den Kopf neigte und mit ihrer Zigarette mein Feuerzeug berührte und dann unter ihren dichten Wimpern zu mir aufsah.
Aber ich war nicht auf Zack, ich war nicht cool und dummerweise auch kein Raucher.
»Kann ich auch eine haben?«
»Nein.« Sie drehte die Zigarette unangezündet in der Hand
und sah sie mitleidig und zornig zugleich an. »Und ich leider auch nicht.«
Ach ja. Rauchverbot. Ich kam mir wie ein Idiot vor. Schon wieder.
»Ist sowieso eine blöde Angewohnheit«, stellte sie fest. »Sieht dämlich aus, ist dämlich. Kriege ich noch einen Kaffee? «
Heimlich öffnete ich unter dem Tisch meine Faust und sah nach, was ich noch an Geld übrig hatte. Zum Teufel, das war eine Investition.
»Ja klar. Wie schläfst du nachts?«
»Und du?«
Das Schweigen war so stark wie Beppes Espresso und etwa ebenso düster. Ich stand auf, ging zum Tresen und bestellte. Beppe sah mich unheilvoll an – er tat immer sehr mafiamäßig bösartig, damit ihm wegen seinem albernen Fünfziger-Jahre - Hütchen und der gestreiften Schürze niemand dumm kam – und machte mir den Kaffee.
Ich musste allen Mut zusammennehmen, mich Orla wieder gegenüber zu setzen, aber ich schaffte es, schaffte es sogar, sie anzusehen. Sie zog einen Schmollmund, aber in ihren Augen glitzerte Interesse. Okay.
»Du hast mit ihm rumgehangen.«
Ihm . Kev Naughton. Nun kamen wir zur Sache.
»Ja, nun …«, antwortete ich. »Jetzt nicht mehr.«
»Ja, aber früher schon. Von deinem Geschmack, was Freunde angeht, halte ich nicht viel.«
Als ob ich das schon wieder hören wollte. Wütend gab ich zurück: »Er stand auf dich.«
Sie blickte mich unverwandt an. »Ja.« Sie öffnete den Mund und biss sich auf die Unterlippe. Fest. Ich sah, wie eine Delle zurückblieb. »Ich habe gesagt, ich hätte kein Interesse.«
»Du hast ihm die Eier zerquetscht, Orla.«
Das fand ich damals witzig und jetzt auch noch. Da ich versuchte, nicht so zu grinsen, sah ich mich nach dem rosa Chevy um. Aber sie sagte nichts, und als ich mich wieder umdrehte, stellte ich fest, dass ich mir nie hatte vorstellen können, dass Orla Mahon weinte.
In ihren Augen glitzerte es, und sie legte einen schwarzen Fingernagel in jeden Augenwinkel und starrte auf den Tisch. Ich bemerkte, dass der Nagellack gar nicht schwarz war, sondern sehr, sehr dunkelrot. Ich wünschte, ich hätte sie nicht zum Weinen gebracht. Ich konnte den Blick nicht von den Fingernägeln wenden.
»Ich …«, fing ich an. »Ich … du brauchst nicht ….« Mein Hals wurde trocken.
»Ich habe keine Schuldgefühle«, brauste sie auf und nahm die Finger runter, um mich wütend anzusehen. Jetzt war sie zornig genug, um nicht mehr zu weinen.
»Ich habe nicht gesagt, dass du …«
»Selbst wenn Kev sich nur gerächt hat. Selbst wenn er Aidan angegriffen hat, nur weil … weil ich das getan habe. Vor allen Leuten. Das hätte ich nicht tun sollen. Nun, ob ich es getan habe oder nicht, es ist keine Entschuldigung dafür … es ist keine Entschuldigung … Ich habe ihn nicht dazu gebracht. Oder? Habe ich das?«
»Nein«, sagte ich. »Natürlich nicht. Kev hat es getan. Ganz allein.«
»Ich habe überhaupt keine Schuldgefühle. Es tut mir nicht leid, dass ich noch lebe. Es tut mir nur so furchtbar leid, dass er tot ist. Und deshalb fühle ich mich ein wenig schuldig. Verstehst du? Das ist es. Ich weiß nicht, warum. Verstehst du?«
Nein, Orla, nicht ganz. »Ja.«
»Es ist immer noch August«, sagte sie.
Was hatte das denn jetzt damit zu tun. »Ah-ha.«
Sie lächelte mich an, sehr plötzlich und entwaffnend. »Hast du Lust, schwimmen zu gehen?«
15
Wäre Orla Mahon nicht da gewesen, hätte ich wohl nie meine Kleider ausgezogen.
Das sind dreizehn schöne Worte. Unglücklicherweise war es weniger aufregend, als es klingt, dafür wesentlich kälter und nasser. Zuerst saßen wir eine Weile an der Mauer am Meer und stützten uns mit den Armen auf das rostige Geländer, bis unsere Rücken taub waren und Druckstellen von dem unebenen Beton hatten. Ich hatte gehofft, dass sie anfangen würde zu zittern, damit ich gähnend den Arm ausstrecken und ihn ihr um die Schultern legen konnte, aber dafür war es wiederum nicht kalt genug, und mir stand noch lebhaft vor Augen, wie es Kev ergangen war. Sie war sowieso beschäftigt, weil sie ihrer Mutter die x-te SMS schicken musste, um zu sagen, dass es ihr gut ging. Nach einer Weile ließ sie das Handy zuschnappen und
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