Rob - Toedliche Wildnis
dass sie uns nicht zu nahe kommen. Wenn wir erst einmal in den Felsen sind, haben wir es für heute geschafft. Dann kannst du dich endlich ausruhen.«
»Ausruhen?«
»Ich glaube kaum, dass du heute Abend noch zu anderen Dingen in der Lage sein wirst, Anwalt.«
Eigentlich hatte Rob mehr an die Notwendigkeit gedacht, Wache zu halten und hätte zu gerne gewusst, was sie machen sollten, wenn Crocks Männer ihnen in die Felsen folgten. Aber die Herausforderung konnte er nicht ignorieren, ein bisschen Ablenkung dagegen gut gebrauchen. »Tja, Kätzchen, das war ein Fehler. Niemand fordert einen DeGrasse ungestraft heraus. Um die Familienehre zu retten, werde ich dir deinen Irrtum wohl beweisen müssen.«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Wir werden sehen. Ich bin erst einmal nur froh, dass du deinen Karate-Kid-Auftritt gut überstanden hast. Dieses Gefühl, Angst um jemanden zu haben, ist mir neu, und es gefällt mir nicht.«
Dazu sagte er lieber nichts, denn ihm ging es nicht anders. Anscheinend gab es noch mehr zu klären, als nur zu überleben. Eine Beziehung, so wie er sie sich vorstellte, war für sie beide Neuland, und es gab mehr Dinge, die sie trennten, als Gemeinsamkeiten. Vor ihnen lag noch ein steiniger Weg, und dabei dachte er nicht an den Pfad, der zum Fluss führte.
Da sich in Cats Augen bereits das nächste bedrohliche Funkeln zeigte, ließ Rob es ohne weitere Diskussion zu, dass sie den Rucksack nahm. Es war definitiv der falsche Zeitpunkt, um auf ritterlichen Gepflogenheiten zu bestehen, da sie sonst auch mit der Ausrüstung unterwegs war und während ihrer Militärzeit vermutlich sogar noch weitaus schwereres Gepäck getragen hatte. Sie schien darauf zu warten, dass er protestierte, aber den Gefallen tat er ihr nicht. Eigentlich betrachtete er sie als absolut gleichberechtigte Partnerin, und das sollte sie wissen. Nur sein Beschützerinstinkt machte ihm gelegentlich einen Strich durch die Rechnung.
Von dem Gewicht der Pistole an seinem Oberschenkel und des Gewehrs über seiner Schulter abgesehen, verlief der Weg zum Fluss beinahe erholsam. Cat hatte die bewusstlosen Männer durchsucht. Ihr Vorrat an Energieriegeln war weiter angewachsen, sodass er nun schon an dem dritten der trockenen Dinger herumkaute. Ohne den Rucksack und dank der kurzen Pause war er wieder fit und bereit, es mit jedem aufzunehmen, der sich ihnen in den Weg stellte. Dennoch hoffte er, dass ihnen dies erspart blieb. Wenn sie die fernen Geräusche der Motoren richtig deuteten, konzentrierte sich die Suche nach ihnen auf ein Stück weiter südlich. Deswegen würde er sich nicht beschweren.
Kurz bevor die Sonne hinter den Berggipfeln verschwand, verdrängte sie noch ein letztes Mal die Wolken und zauberte unglaubliche Farben auf das felsige Gestein und die Äste der Kiefern. Ein entspanntes Gefühl, wie er es zuletzt zu Beginn ihrer Tour gefühlt hatte, stieg in ihm auf. Ein weiteres Mal glaubte er, die Stimme seines Bruders zu hören und sein Grinsen vor sich zu sehen. Luc hatte oft genug versucht, ihm zu erklären, dass es auch während der schwierigsten Aufträge immer wieder Situationen gegeben hatte, in denen er einfach nur die faszinierende Landschaft Afghanistans bewundert hatte. Bisher hatte Rob nicht verstehen können, wie Entspannung und Landschaft auf der einen Seite und militärischer Einsatz auf der anderen zusammenpassten. Nun hatte er eine ziemlich klare Vorstellung davon. Der Mensch war nicht dafür geschaffen, sich durchgängig von Angst oder Panik beherrschen zu lassen. Irgendwann trat ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, der auch wieder Platz für andere Dinge ließ. Selbst den lockeren Umgangston der SEAL s, der Rob in der Vergangenheit öfter dazu gebracht hatte, die Augen zu verdrehen, sah er nun in einem anderen Licht. Er zog allerdings eine andere Form der Ablenkung vor und betrachtete genüsslich jede Bewegung von Cats langen Beinen. Der Anblick konnte mit dem Farbenspiel der tief stehenden Sonne locker mithalten.
Unvermittelt blieb Cat stehen und drehte sich um. Er war nicht schnell genug, um ein unverfängliches Ziel ins Visier zu nehmen.
»Ist alles in Ordnung bei dir?«
»Na, sicher. Ich genieße nur die ungewohnte Ruhe und den … äh … Ausblick.«
»Ausblick? Wir befinden uns mitten zwischen den Bäumen.«
Es fehlte nur noch, dass sie ihm die Hand prüfend an die Stirn legte und sich besorgt nach seinem Geisteszustand erkundigte. Er umfasste sie locker an der Schulter und drehte sie etwas
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