Robbers: Thriller (German Edition)
tippen. Aus den Anfangstagen. Bluegrass, Honkytonk-Trinklieder. Nichts für ungut, aber die alten Sachen sind einfach unverfälscht, so wie der Blues. Ja, Sie erinnern mich an einen dieser Burschen.«
»Porter Wagoner«, sagte Rule.
Bubba Bear runzelte die Stirn, kratzte sich am Bart. »Nee, ich dachte mehr an Randy Travis, der mit ›Digging Up Bones‹.«
Rule starrte den Typen an. Mein Gott, er sah Randy Travis nicht im Entferntesten ähnlich. Randys Gesicht bestand hauptsächlich aus Stirn und Brauen. Der Mittelteil wirkte, als wäre er nachträglich dazwischengequetscht worden.
»Rufus Slim«, sagte Rule. »Klingt wie ein Künstlername. Sein richtiger ist nicht etwa Ledoux, oder?«
Bubba Bear schüttelte den Kopf. »Das ist ein Cajun-Name. Rufus kommt aus Mississippi, unten aus dem Delta. Südlich von Memphis, außerhalb von Clarksdale. Da, wo Robert Johnson herstammt und Muddy Waters, sein richtiger Name ist allerdings McKinley Morganfield. Sie haben wahrscheinlich noch nicht von ihm gehört.«
Rule schüttelte den Kopf. »Könnt ich nicht behaupten.«
»Tja, da entgeht Ihnen was, Kumpel. Der Mann ist eine Legende. In seiner Jugend hat er eine Plantage bewirtschaftet. Wenn du nur dunkle Erde und weiße Baumwolle siehst, singst du irgendwann den Blues. Und wenn du gut bist, ziehst du eines Tages los. Muddy ging rauf nach Chicago, hat allen gezeigt, wo der Hammer hängt. Die ganzen weißen Jungs haben ihn dann kopiert. Clapton, Stevie Ray, Johnny. Johnny Winter kommt oben aus Beaumont, er und sein Bruder Edgar. Und die Rolling Stones haben sich nach einem Song von Muddy benannt. Nicht dass man das merken würde.«
Doch Rule hörte nicht zu. Er deutete mit dem Kopf auf Rufus Slim. »Wie lang ist er schon hier?«
»Er?« Bubba Bear schob beide Hände in seinen Latz. »Er ist nur auf der Durchreise, auf dem Weg vonLAnach Memphis. Aber ihm gefällt der Strand hier. Und seiner Frau und den Kindern auch. Wenn er länger bleibt, kann er weiter bei mir auftreten. Er ist verdammt gut.«
»Er ist verheiratet?«
Bubba Bear zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Aber er hat eine Frau und zwei Kinder. Kann ich Ihnen sonst noch was bringen?«
»Noch ein Bier.«
»Schon unterwegs.«
Als die Kellnerin das Bier brachte, nahm Rule einen genüsslichen Schluck. Mit geschlossenen Augen überließ er sich ganz seiner Intuition. Bildete er sich das nur ein oder nicht? Er betrachtete es von allen Seiten, wägte es ab. Nein, es war wirklich da. Außerdem fühlte es sich richtig an, so viel stand fest. Aber alles andere ergab einfach keinen Sinn. Die Gitarre und die Mundharmonika, der Gesang. Die Ehefrau und die zwei Kinder. Das passte nicht ins Bild. So kompliziert war der Bursche nicht gestrickt, dieser Kleinganove. Der Rothaarige war ihr Anführer. Und zu allem bereit. Wahrscheinlich steckte er oben in East Texas und plante gerade einen weiteren Überfall.
Der Gedanke daran riss Rule aus seiner Versenkung. Er rief die Kellnerin und bezahlte die Rechnung. Dann nahm er seinen Hut, marschierte nach vorne und wartete. Als Rufus Slim seinen Song beendet hatte, trat Rule auf ihn zu und erklärte, dass ihm die Musik gefallen habe.
»Mann, freut mich«, sagte Eddie, steckte sich eine Zigarette an und zog daran. »Dafür bin ich hier.«
Camel ohne Filter, bemerkte Rule. »Wo kommen Sie her?«
»Ich leb mal hier, mal dort, überall.«
»Aus Mississippi?«
»Immer auf Achse.«
Rule nickte, drehte den Stetson in seinen Händen. Und wünschte, er könnte den Typen dazu bringen, die Sonnenbrille abzunehmen. Er konnte nicht das Geringste erkennen.
»Schon mal in Austin gewesen?« Die Frage war ihm spontan eingefallen. Wo er doch eigentlich hatte fragen wollen: Haben Sie mal einem Hindu namens Abe Krishna zwischen die Augen geschossen? Oder: Wann haben Sie Johnny Ray Matthews das letzte Mal gesehen?
»Nein, Sir, noch nie«, erwiderte Eddie. »Aber ich hab’s vor. Gibt gute Blues Clubs in Austin. Antones, The Black Cat. Hören Sie, war nett, mit Ihnen zu plaudern, aber ich muss wieder an die Arbeit. Schön, dass Sie da waren.«
Er wandte sich wieder der Gitarre zu. Rule zögerte, dann ging er zur Tür hinaus. Blieb auf dem Absatz des Obergeschosses stehen und überblickte den Parkplatz und den im Schatten liegenden Jachthafen, der an das Stingaree grenzte. Dort unten gab es einen kleinen Kiosk für Anglerbedarf mit einer Zapfsäule, außerdem Rennboote, die an Pfählen vertäut waren. Über den Himmel trieb eine Flotille
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