Robbers: Thriller (German Edition)
kann ich auch empfehlen.«
Rule bestellte eine Meeresfrüchte-Platte. Fisch, Garnelen, frittierte Austern und Krebse. Dazu Salat und Pommes frites. Und ein kaltes Bud.
Das Bier brachte die Kellnerin sofort, kurz darauf dann das Essen. Er war wirklich hungrig. Die frittierten Garnelen waren groß und saftig. Er beträufelte sie mit Tabasco und ließ sich Zeit beim Essen, versuchte in aller Ruhe seine Fühler auszustrecken. Wieder einmal war er ganz auf sich gestellt. Auf der Halbinsel gab es keine Polizei, nur ein paar County Deputys, niemanden, der ihn unterstützte. Darum war er vom Fähranleger die Küstenstraße entlanggefahren, hatte seinen Gedanken freien Lauf gelassen und war seiner Intuition gefolgt. Denn ihm war klar, dass er DeReese, falls dieser sich hier herumtrieb, nicht aufspüren konnte, indem er sich einfach mal umschaute. Zu viel Platz, zu wenig Zeit. Er musste sich auf seine Nase verlassen, versuchen die Witterung aufzunehmen.
Er starrte durch die Fliegengitterfenster über den Kanal und die Bucht hinweg auf die Lichter der Raffinerien in Texas City, die am fernen Horizont in der Dunkelheit funkelten. Im Jahr 1947 war dort ein mit Ammoniumdünger beladener französischer Frachter explodiert. Was eine ganze Reihe von Bränden und Explosionen ausgelöst hatte, ein wahres Inferno, der schlimmste Firmenunfall in der Geschichte Amerikas. Sechshundert Menschen kamen dabei ums Leben, darunter zwei Brüder seines Vaters. Um etwas Geld zu verdienen, waren sie unmittelbar nach dem Krieg aus den Kiefernwäldern hier heruntergezogen. Ihre Leichen wurden nie gefunden. Ihre Geister waren immer noch dort draußen und schwebten über der Bucht. Er leerte das Bier und fragte sich, wo die Toten wohl hingingen. Dann hörte er über dem Wasser eine Möwe schreien.
Plötzlich fühlte er sich einsam, spürte, dass er müde war. Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit, beschworen die Toten. Auf dem Schmutzwasser in der Rinne zwischen Kanal und Bucht trieb ein einzelnes kleines Boot. Jemand angelte bei Laternenlicht. Auf diese Weise hatte er selbst immer als Kind in East Texas Barsche geangelt. Flache Seen voller Baumstämme und Barschschwärme. Eine schöne Zeit, zusammen mit seinem alten Herrn. Seitdem war er nur noch selten angeln gewesen. In den Flüssen und Seen um Austin, oben in Hill Country, gab es kaum Fische.
Sie waren zu klar und zu tief.
Plötzlich packte ihn der Impuls, Katie anzurufen. Nein, lass ihr den Freiraum, den sie verlangt. Du kannst ihr nicht geben, was du nicht hast. Schlussfolgerung: Lass sie gehen.
Eine weitere Prämisse: Die Vergangenheit lässt sich nicht verändern, also schau nach vorne. Und zwar sofort .
Mann, das war echt nicht leicht. Mit der aufgestauten Reue, die ihn wie ein schmutziger Anker in die Tiefe zog.
Da holte ihn die Kellnerin in die Gegenwart zurück. Er bestellte ein weiteres Bier und zerbrach knackend einen Krebs, kaute das weiche weiße Fleisch und lauschte dem Burschen, der vorne Gitarre spielte und sang. Klang wie diese Bluesmusik. Heutzutage gab es eine Menge Weißer, die darauf standen. Der Bursche legte sich mächtig ins Zeug; um den Hals trug er ein Metallgestell mit einer Mundharmonika. Rule neigte langsam den Kopf. Irgendetwas an diesem Typen kam ihm vage bekannt vor.
Während er weiteraß und an seinem Bier nippte, beobachtete er den Burschen auf dem Hocker, mit seiner Roy-Orbison-Frisur und der Brille. Und dem Ohrring. Rule konnte ihn kaum erkennen. Das kleine goldene Ding baumelte an seinem linken Ohr. Es gab eine Menge Typen, die einen Ohrring trugen. Kein Pferdeschwanz, doch ein Haarschnitt kostete schließlich nicht viel. Er hätte gerne die Augen des Burschen gesehen. Er hatte einen breiten Mund und volle Lippen. Wie DeReese.
In den Akten stand aber nichts von einer Gitarre.
Vielleicht eine weitere Frage, die Moline nicht gestellt hatte.
Er leerte seinen Teller, als der riesige Bandido mit den Maßstiefeln zurückkam, um zu fragen, ob es geschmeckt hatte. Rule nickte. Das Essen war lecker, richtig gut, besonders die Garnelen. Mit einer Serviette wischte er sich den Mund ab und deutete in den vorderen Teil des Raums. »Wer ist der Bursche, der da singt?«
»Rufus Slim. Stehen Sie auf Blues?«
Rule zuckte mit den Achseln. »Ich hör meistens Countrymusik.«
Bubba Bear legte eine Hand auf die Rückenlehne des Stuhls und schob die andere in den Latz seiner Hose. »Country ist ziemlich beliebt. Aber Sie mögen die älteren Sachen, würd ich
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