Robbers: Thriller (German Edition)
hin und her wiegten.
Schließlich hob der Wildhüter den Blick und sah Ray Bob mit unbewegtem Gesicht direkt in die Augen, als hätte er lange genug über das Problem nachgedacht und wäre zu einer Entscheidung gekommen. Ray Bob langte nach unten und kratzte sich beiläufig am Knie. In diesem Moment schlug sich der Wildhüter plötzlich mit dem Klemmbrett auf den Oberschenkel und sagte: »Na schön, dieses eine Mal, geschenkt, bezahlen Sie einfach auf dem Weg nach draußen. Aber nicht vergessen.« Das Klemmbrett hin und her schwenkend schlenderte er lässig zum Pick-up und stieg ein, dann setzte er zurück, wendete und brauste auf dem im Schatten der Bäume gelegenen Weg davon.
Ray Bob schaute ihm hinterher, schob die Hand unters Hemd und rieb sich den Bauch. Er hätte den Typen erledigen sollen. Er hätte es verdient gehabt, dieser eingebildete Scheißkerl. Und dumm war er obendrein. Trug nicht mal eine Waffe. Er lauschte dem leisen Brummen des Pick-upmotors, das allmählich zwischen den Bäumen verhallte. Im Dickicht zwitscherte ein Blauhäher, und ein Fisch klatschte auf die Oberfläche des Tümpels zurück. Der Bauch unter seiner Hand fing an zu knurren. Er hatte Hunger.
Als das Motorengeräusch ganz verstummt war, öffnete er den Kofferraum des Caddy und nahm einen Stofffetzen zusammen mit einem Ölkännchen heraus. Dann hockte er sich auf die knorrige Wurzel einer Magnolie, zog das Magazin aus der Walther, entfernte die Munition und ölte und säuberte die Pistole. Dabei dachte er an das Frühstück, das seine Mutter daheim immer zubereitet hatte. Gebutterte Brötchen mit Zuckerrohrsirup, Maisgrütze mit Soße, Spiegeleier, hausgemachter Schweineschinken und Räucherwürstchen. Und dazu eine dampfende Tasse Zichorienkaffee.
Ein Specht sauste über die Lichtung und landete auf einer Gleditschie, wo er die Rinde nach Insekten abzuklopfen begann. Abgesehen von seinem lauten, beharrlichen Pochen herrschte Stille. Ray Bob schloss die Augen und atmete den süßlichen Duft der feuchten Wälder ein, die vom lieblichen Aroma der Geißblätter erfüllte Luft. Er hatte sich noch nie so wohl gefühlt wie hier, umgeben von schwankendem Boden und den saftigen, rauschenden Wäldern, in der Nähe steigender Gewässer, die sich in dieser fruchtbaren Gegend sammelten, weitab von anderen Angehörigen seines Spezies.
Hier war er sicher.
Unter den Menschen nicht.
Eine halbe Stunde später fuhr er unter riesigen Terpentinkiefern und Platanen aus dem Park; goldbraun erstreckte sich der mit Kiefernnadeln bedeckte Waldboden zwischen den knorrigen Stämmen der Bäume. Die warme Luft war vom satten Duft des Kiefernharzes erfüllt. In den Baumwipfeln und Schlingpflanzen hockten Eichhörnchen, und im Gestrüpp darunter Singvögel. Tief im Wald krächzte eine Krähe. Schließlich erreichte er die gepflasterte Abzweigung Richtung Campingplatz, und eine weitere Richtung Bootsanleger. Ein Hinweisschild warnte davor, die Alligatoren zu füttern. Er ließ sich Zeit, rollte gemächlich durch das gesprenkelte Licht der Morgensonne, und als er das Gebäude der Parkverwaltung und das Kassenhäuschen passierte, fuhr er, ohne sie eines Blickes zu würdigen, einfach weiter.
Dort, wo der Highway 190 die Straße des Parks kreuzte, schaltete er die Automatik in den Leerlauf und steckte sich eine Zigarette an. Dann schaute er rechts, Richtung Westen, die Straße hinauf. Fünfundzwanzig Kilometer von hier, hinter einem aufgeschütteten Fahrdamm und dem See lag Woodville; von dort war er letzte Nacht hierhergefahren. Gegen Mitternacht, als er die alte Brücke mit dem Eisengerüst überquert hatte, die über das Flussbett in der Mitte des Sees verlief, hatte er Tyler County verlassen. Und sich seitdem in Jasper County aufgehalten.
Er blieb noch ein Weilchen an der Kreuzung stehen und rauchte. Er blickte den zweispurigen Highway in die andere Richtung hinunter, nach Osten. Ein Straßenschild verkündete, dass es noch siebzehn Kilometer bis Jasper waren. Als er zu Ende geraucht hatte, schnippte er die Zigarette auf den Asphalt, schaltete in den Fahrbetrieb und fuhr an. Er nahm die Abzweigung nach links.
Richtung Heimat.
46
N icht lange, dann war Rule mit seiner Arbeit in Beaumont fertig. Er hatte sich mit Kirkland im Morddezernat getroffen und die Akte von Johnny Ray Matthews durchgesehen; sie war umfangreicher als erwartet. Gegen Vormittag befand er sich dann auf dem Weg nach Jasper und dachte über das nach, was er gelesen hatte.
Er war auf
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