Robbers: Thriller (German Edition)
Dicke braune Klümpchen.
Nachdem Lefty sein Geschäft erledigt hatte, fuhren sie weiter landeinwärts, zwischen kleinen Kiefern hindurch und Feldern mit Setzlingen und jungen Bäumen, die reglos in die Sonne ragten, vorbei an der Temple-Inland Zellstofffabrik bei Evadale mit ihrem unerträglichen Gestank und weiter durch die Geisterstädte alter Sägewerke und vorbei an kleinen Bahnhofsgebäuden, die inzwischen abbruchreif waren. Sein Blick wanderte über mehrere Wohnwagen, die abseits der Straße standen, Mietbaracken der Neuzeit, und über kahle Felder, auf denen scheckige Rinder grasten. Er passierte einen Neunachser und einen Streifenwagen der Verkehrspolizei, die auf dem Seitenstreifen standen; der Lastwagenfahrer schüttelte den Kopf, während der Beamte auf ihn einredete. Eineinhalb Kilometer später scheuchte er drei Truthahngeier auf, die sich über ein überfahrenes Gürteltier hergemacht hatten. Als der Truck sich näherte, sprangen die riesigen Vögel zur Seite und breiteten ihre Flügel aus, bevor sie erneut im Rückspiegel erschienen.
Kautabak von Red Man. Das war die Marke seines Vaters gewesen. Und der hatte ihn schließlich umgebracht, Mundkrebs.
Er nahm das Handy und wählte Katies Nummer in Austin. Beim dritten Läuten sprang der Anrufbeantworter an, und er legte auf und warf das Telefon auf den Sitz. Nachricht an dich selbst: Bedräng sie nicht . Es fiel ihm schwer. Mein Gott, er wollte doch nur Hallo sagen, ihre Stimme hören. Was war schon dabei? Sie ist kein kleines Mädchen mehr, das ist dabei. Lass sie los. Sie lebt jetzt ihr eigenes Leben.
Er atmete tief durch. Vielleicht gewöhnte er sich irgendwann daran.
Eine Minute später nahm er das Telefon und wählte erneut. Diesmal eine andere Nummer. Und Dana ging dran.
»Hey, ich glaub’s nicht«, sagte sie, »du rufst sonst nie an. Vermisst du deinen kleinen Kürbis?«
»Ich dachte, ich ruf dich an, bevor du es tust«, sagte Rule. Er stockte, denn er wusste nicht, was er sagen sollte. Warum er überhaupt angerufen hatte. Der Impuls dazu hatte sein Urteilsvermögen außer Kraft gesetzt.
»Wo ist Moline?«
»Bei der Arbeit«, sagte sie, »oder was glaubst du?«
»Trinkt er?«
»Soll das ein Witz sein? Moline?«
»Er ist momentan ziemlich launisch, vielleicht sogar gefährlich.« Rule zögerte. »Du solltest darüber nachdenken, auszuziehen.«
»Nein, ich werde das Haus auf keinen Fall aufgeben«, erklärte sie mit ernster, unerschütterlicher Stimme. »Es gehört mir genauso wie ihm.«
»Nicht wenn du tot bist.«
Sie lachte.
»Jetzt komm mal wieder auf den Teppich, Schatz. Moline blufft nur. Wo bist du eigentlich gerade?«
»East Texas, da, wo ich aufgewachsen bin.«
»Du warst mal ein Kind?« Ihre Stimme klang jetzt heiter, ja, neckisch. »Schwer vorstellbar.«
»Ich weiß.«
»Du warst bestimmt anstrengend. Hast nichts als Ärger gemacht.«
»Ich war ein ziemlich braves Kind«, sagte er, »mein Vater hat schon dafür gesorgt. Er hat mich regelmäßig verprügelt, bis ich getauft wurde.« Rule wechselte den Hörer ans andere Ohr und blickte finster drein. Er konnte nicht anders, als ihr davon zu erzählen. Ihr Sachen anzuvertrauen, an die er seit Jahren nicht mehr gedacht hatte.
»Du wurdest getauft?« Sie kicherte. »Tja, das hat ja wohl nicht lange vorgehalten.«
»In einem Flüsschen«, sagte er. »Im Turkey Creek, neben der Sandbank. Dieser verbohrte Baptist hätte mich fast ersäuft.«
»Rule, du bist echt bescheuert. Du fehlst mir, Liebling. Soll ich nicht zu dir rüberfahren? Und du zeigst mir den Ort. Ich wette, darum willst du, dass ich Moline verlasse.«
Als er nicht antwortete, sagte sie: »Du gehst mir seit neulich nicht mehr aus dem Kopf. Weißt du, was ich im Moment tue? Ich ziehe mich gerade aus. Genau. Ich hab jetzt nur noch mein Höschen an. Hoppla, und weg ist es. Okay, Liebling, das wär’s. Ich bin bereit, ich warte. Schau dir nur meine kleinen rosafarbenen Nippel an, sie sind ganz hart. Sprich mit mir.«
Rule presste sich den Hörer ans Ohr, ohne etwas zu sagen.
»Hey, komm schon, Süßer, ich warte.«
»Deswegen habe ich nicht angerufen.«
»Was?«
»Nimm dich vor Moline in Acht.«
Er legte auf, fuhr aber mit dem Telefon in der Hand weiter. Als es kurz darauf klingelte, schaltete er es aus und warf es auf den Sitz. Dann blickte er zu Lefty hinüber, der sich unter dem Fenster auf der Beifahrerseite zusammengerollt hatte und hinausschaute. »Partner, du siehst vor dir ein Häufchen Elend. Ich
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