Robbers: Thriller (German Edition)
dauerte. In diesem Moment flog die Fliegengittertür auf, und Ray Bob trat mit einem Sixpack Coors heraus. Aus einer Dose trank er schon, die anderen warf er Eddie zu.
»Dieser alte Moody ist ein komischer Kauz. Du wirst es nicht glauben, aber er hat tatsächlich nur ein Bein und ist auf einem Auge blind. Er behauptet, ein Hai hätte sich das Bein geholt. Ein verdammter Hammerhai. Gleich hier draußen.« Ray Bob zeigte mit der Hand an dem Köderladen vorbei auf die sandige Landzunge.
»Diese Hammerhaie sind echt bösartig«, sagte Eddie. »Gar keine Frage. Die sind richtig übel veranlagt. Und außerdem hartnäckig.«
Ray Bob nahm hinter dem Lenkrad Platz und zerdrückte die leere Bierdose in der Hand. »Woher zum Teufel willst du das wissen?«
»Mann, fang bloß keinen Streit an.«
Ray Bob setzte zurück und schlug den Weg über die Brücke Richtung Süden ein. Dabei erzählte er von Moody und seinem Papagei Jim. Er klang richtig aufgeregt.
»Der Papagei ist nach irgendeinem Jungen in einem Piratenbuch benannt, sagt Moody, irgendwas über einen vergrabenen Schatz. Er sagt, hier in der Nähe gibt es auch einen vergrabenen Schatz von einem französischen Piraten mit Namen Feet. John the Feet. Verdammt merkwürdiger Name. Moody hätte den Schatz beinahe gefunden, aber stattdessen war es ein toter Mann in einem Sarg. Der Kerl war ein Jahr vorher vom Friedhof in Galveston verschwunden. Kannst du dir das vorstellen?«
»Ich kann mir fast alles vorstellen«, sagte Eddie. »Wenn du mich fragst, besteht das Leben fast nur aus Überraschungen. Überraschungen und verdammten Nieten,’ne echte Achterbahnfahrt.«
Ray Bob schaute ihm ins Gesicht. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen, Kumpel?«
Eddie winkte ab. »Ist nur die Hitze, schätz ich.« Er betrachtete den flachen Sand, der rechts von ihnen vorbeihuschte, die hellbraune Zone, die in vom Wind bewegte Grasbüschel überging. Und die Sanddünen zur Linken zwischen Straße und Strand. Mannomann. Sand, wohin er auch schaute. Er konnte es kaum erwarten.
Wenige Minuten später beugte Della sich nach vorn und zeigte auf ein Schild, das für das »Stingaree Marina & Restaurant« an der Bucht warb.
»Da!«, sagte sie. »Aber nach links, Richtung Strand!« Sie bogen in eine schmale, sandige Gasse ein und kamen an mehreren Häusern mit abblätternder Farbe und Fenstern mit verschlossenen Läden vorbei. Bald danach führte die Straße über eine Lagune mit stehendem Wasser hinweg, an deren Ufern Rohrkolben und Schilf wuchsen. Della zeigte auf das letzte Haus und erklärte, das gehöre LD. Auf hohen, mit Teer zugekleisterten Pfeilern erhob es sich über den grobkörnigen Sandboden. Es stand für sich allein, ein weitläufiges blassrosafarbenes Haus mit einer Veranda, die sich um drei Seiten zog. Ray Bob manövrierte den Wagen zwischen den Pfeilern hindurch auf ein rissiges Stück Beton unter dem Haus.
Er schob den Hebel auf Parken, ließ den Wagen im Leerlauf und trank, am Steuer sitzend, aus einer Dose Coors. Dann steckte er sich eine Zigarette an. Die beiden anderen warteten und beobachteten ihn.
»Was ist los?«, fragte Eddie.
Ray Bob lehnte den Kopf auf die rechte Seite und warf ihm einen schiefen Blick zu. »Eins ist klar, Partner, lange bleib ich hier nicht.«
»Wie lang ist lange?«
»Weiß nicht.« Er schaltete den Motor aus. »Aber ich sag dir Bescheid, wenn’s so weit ist.«
»Ihr Kerle«, warf Della ein. »Ich glaub einfach nicht, dass ihr übers Abhauen redet, wo wir gerade erst angekommen sind.«
Ihre Stimme klang erregt. Sie kletterte aus dem Wagen, griff nach ihrer Nylontasche, öffnete Eddies Tür und packte seinen Arm.
»Jetzt kommt rein, alle beide! Es wird euch gefallen.«
24
D as Motel befand sich am Highway 36 gleich außerhalb von Freeport, dort, wo die Straße den Brazos überquerte. Über dem in dieser Gegend flachen und feuchten Delta lag eine Atmosphäre träger Erwartung, als hätte sich der Fluss schon dem Golf ergeben und als hoffte das Land, von diesem Verlust zu profitieren. Eine Erwartung wie so viele: den Bedürfnissen folgend und ohne Rücksicht auf die Realität.
Inmitten dieser umnebelten Verwirrung lag das Motel. Das Brazos Motor Inn.
Er hätte sich in einem besseren Haus einquartieren können. Sein Spesenkonto ließ mehr zu, doch er fand dieses uralte Motel mit seinen schäbigen Backsteinhütten gemütlich, so wie ein altes Flanellhemd der Haut ein sicheres Gefühl gibt, das ein neues Hemd niemals
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