Robbers: Thriller (German Edition)
Kerl.« Er grinste. »Wenn er sich ein bisschen Mühe gibt, meine ich. Mit seiner Mama war ehrlich gesagt nie besonders viel los. Bist du hinter diesen Kerlen her?«
»Ja.«
Der alte Mann nickte. »Ich hab’s im Radio gehört. Sie hinterlassen eine schlimme Spur.«
»Das tun sie wirklich«, sagte Rule. Er setzte den Hut ab und legte ihn auf ein Knie. »Aber leider verrät sie mir nicht viel. Noch nicht.«
»Das wird sich ändern.«
»Ich weiß.«
Sie lauschten dem Gesang einer Lerche auf dem Feld. Durch das Jasminspalier fielen Lichtflecken auf die Veranda. Der Tag war inzwischen so weit fortgeschritten, dass der Tau verdunstet war. Das süße Aroma des Jasmins lag in der Luft. Rule schaute über den Garten und die grünen Felder mit ihren Flecken von Eichengestrüpp und Mesquite hinweg auf eine Weide, auf der ein einzelnes Herefordrind graste.
»Aber das ist nicht alles, was dich beschäftigt.«
»Nein«, sagte Rule. »Das ist nicht alles.«
Jedidiah rieb sich mit dem Handrücken über den Mund und wischte sich die Hand an der Hose ab. »Es ist schwer für einen Mann, zu jagen, wenn er keinen klaren Kopf hat. Er hört nicht gut, und er nimmt die Witterung nicht auf.«
»Ich weiß.«
Der alte Mann schloss die Augen. Er griff nach dem Stock und stellte ihn aufrecht zwischen seine Beine. Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ich erinnere mich, wie ich mal einen Mexikaner unten in Zapata County gejagt habe. Damals hab ich zur Kompanie D gehört und war in einer Lehmhütte unten in der Gegend von Bustamente stationiert. Es gab Ärger mit Viehdieben, die versuchten, die Longhorns über den Rio nach Mexiko zu treiben. Ich folgte also hartnäckig einer Spur. Und fand mich plötzlich mitten in der Wüste wieder, am Rand einer schmalen Schlucht. Roter Sand, Kaktusfeigen und Ocotillo, wohin ich auch schaute. Ich war zu Fuß und führte mein Pferd am Zügel. Eine Hitze, dass man kaum atmen konnte. Das Einzige, was sich bewegte, war das Auge einer Eidechse. Das Land des Teufels, so war es damals, und so ist es immer noch, wenn sich nichts geändert hat. Ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, nehme ich an. Nach zwei Tagen in der Wüste war es jedenfalls zu spät umzukehren, weil ich kein Wasser mehr hatte. Meine Zunge war geschwollen wie ein Fuß nach einem Schlangenbiss, und ich konnte an nichts anderes mehr denken als an ein taufrisches großes Glas mit Wasser. Und genau in dem Moment taucht der Kerl hinter einer Kaktusfeige auf und verpasst mir eine Kugel. Genau hier.« Er hob seine knotigen Finger und berührte sein rechtes Schlüsselbein.
»Mann, hat das gebrannt. Zum Glück ist die Kugel vom Knochen nach oben abgeprallt statt nach unten. Ich stürzte und griff mit der falschen Hand nach dem Colt. Er hatte eine Mauser 98, und der Bolzen klemmte. Ich hatte also gleich zwei Mal Glück, und das ist mehr, als man verlangen kann. Ich bekam meine Waffe in die rechte Hand und schoss ihm einmal in den Kopf. Und gleich noch mal, weil ich wütend war.«
Er beugte sich zur Seite, spuckte in den Napf und wischte sich den Mund ab. »Denn es war meine eigene verdammte Schuld. Bist du sicher, dass du keinen Kaffee mehr willst?«
Rule nahm den Hut von seinem Knie. »Danke, Jedidiah, aber ich sollte mich langsam auf den Weg machen. War schön, dich zu sehen.«
Beide erhoben sich und schüttelten einander die Hand. Dann nahm Rule die Stufen hinunter in den Garten. Er drehte sich noch einmal um. Jedidiah stand auf der Veranda, mit beiden Händen auf den Stock gestützt. Jim Dandy stand neben ihm.
Der alte Mann nickte. »Schön, dass du vorbeigeschaut hast. Wie geht’s deiner Tochter?«
»Gut. Sie hat sich an der Universität eingeschrieben. Ich seh sie nicht oft.«
»Sie ist erwachsen geworden.«
»Ja.«
»Das ist der Lauf der Dinge. Komm doch beim nächsten Mal zum Abendessen.«
»Mach ich.«
Rule wollte den Hut aufsetzen, zögerte jedoch. »Sag mal, Jedidiah, hast du jemals die Nerven verloren?«
Der alte Mann pochte dreimal mit dem Stock auf die Bretter der Veranda. Er versuchte sich zu erinnern, starrte in irgendeine Ferne oder einen Bereich, wo seine Augen noch etwas zu sehen vermochten. Sein Gesicht blieb völlig unbewegt, seine trüben grauen Augen in ihrer nussbraunen Umgebung waren beinahe geschlossen.
»Nein«, entgegnete er schließlich. »Noch nie. Aber ich hab das Gefühl, dass ich sie irgendwann verlieren werde.«
Rule setzte den Hut auf. »Das bezweifle ich.«
»Vielleicht hast
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