Robbins, Harold - Träume
der Pflege.«
»Nicht nötig«, sagte ich. »Ich habe Hilfe.«
»Also gut, okay.« Er zuckte die Achseln. »Sie scheinen soweit ja alles im Griff zu haben. Wir werden morgen früh wiederkommen, um sie abzuholen.«
»Die Fahrt können Sie sich sparen. Sie kehrt nicht in die Klause zurück. Sie fliegt mit mir nach Hause.«
»Das kann sie nicht!«
»Warum nicht, Bruder Jonathan?« fragte ich höflich. »Ich denke, jeder kann die Klause verlassen, wann immer er will.« Ich erkannte einen der hinter ihm stehenden jungen Männer wieder. »Sie waren es doch wohl, der mir sagte, daß Sie alle immer ein Rückflugticket bei sich tragen, nicht wahr?«
Der junge Mann gab keine Antwort. Bruder Jonathans Stimme wurde scharf.
»Sie machen es mir sehr schwer. Ich bin Reverend Sam gegenüber für jeden in der Klause persönlich verantwortlich. Ich kann es einfach nicht zulassen, daß sie von hier fortgeht, bevor unsere Ärzte festgestellt haben, daß keinerlei Bedenken bestehen.«
Ich sah, daß Bobby und Dieter auf uns zukamen. Sie befanden sich bereits in Hörweite, als ich sagte: »Dann werde ich mich umgehend mit Reverend Sam in Verbindung setzen und mir sein Okay geben lassen.«
»Worum geht’s denn?« fragte Bobby.
»Bruder Jonathan behauptet, daß ich von deinem Vater ein Okay brauche, um Denise nach Hause zu bringen.«
»Ist sie denn hier?« fragte er überrascht.
»Ja. Und sie möchte mit uns nach Los Angeles.«
Bobby blickte zu Bruder Jonathan. »Sie hat das Recht, nach Hause zurückzukehren, wann immer sie will. Da braucht sie niemanden um Erlaubnis zu bitten, auch meinen Vater nicht. Das wissen Sie doch.«
»Aber sie ist krank. Sie weiß ja gar nicht, was sie tut«, protestierte Bruder Jonathan.
»Sie kennen die Grundsätze. Eine freie Entscheidung, getroffen von einem freien Willen. Es würde meinem Vater wenig gefallen, wenn dagegen verstoßen wird.«
Bruder Jonathan strich die Flagge. »Wir werden am Morgen zurückkehren. Ich möchte mit ihr reden.«
»Und wenn sie nicht mit Ihnen reden will?« fragte ich.
»Sie wird mit mir reden!« sagte er grimmig.
»Bruder Jonathan, es hat immer mehr den Anschein, daß Sie den Exbullen doch nicht verleugnen können.«
Er funkelte mich an und drehte sich um. Kurz sprach er mit den bewaffneten Wachen, auf spanisch. Sie nickten und gingen zu ihren Autos.
»Bruder Jonathan«, rief ich, »haben Sie nicht etwas vergessen?«
Er wandte sich zu mir zurück, sah mich fragend an.
»Frieden und Liebe«, sagte ich.
Ich konnte nicht schlafen. Ich saß draußen im Patio und beobachtete den Sonnenaufgang. Um sieben Uhr kam der Butler. Er lächelte. »Desayuno? Frühstück?«
Plötzlich empfand ich einen wahren Wolfshunger. »Si.« Ich war mitten bei Schinken und Ei, als ein Schatten über den Tisch fiel.
Lonergan lächelte. »Du hattest eine sehr geschäftige Nacht.«
Ich schluckte einen Bissen herunter. »Du hast schon gehört?«
Er nickte. »Ich bin heute früh bereits Dieter begegnet.«
»Und was meinst du?«
»Im Grunde hast du dich überhaupt nicht geändert. Spielst immer noch den edlen Ritter, der mit Vorliebe für irgendeine verlorene Sache streitet.«
»Wieso? Ich meine ...«
»Das Mädchen ist rauschgiftsüchtig«, sagte er nicht ohne Schärfe. »Dieter hat mir erzählt, daß sie schon mehrmals durchgedreht hat.«
»Als sie herkam, war sie jedenfalls nicht süchtig. Falls sie’s wirklich ist, kann sie’s erst hier geworden sein.«
Er nahm mir gegenüber Platz. Der Butler brachte ihm eine Tasse Kaffee. »Dann wirst du wohl noch nicht allzuviel Zeit gehabt haben, dir die geschäftlichen Probleme durch den Kopf gehen zu lassen.«
»Nein. Nicht direkt.«
»Möchtest du meine Meinung hören?«
»Das wäre mir sehr lieb«, versicherte ich und steckte mir wieder ein Stück Schinken in den Mund.
»Nun, ich sehe beim besten Willen nicht, wie du bei diesem Geschäft verlieren kannst. Selbst bei einem theoretischen Plusminusnull kommst du noch auf deine Kosten.«
»Wieso?«
»Aufgrund der Abschreibungsmöglichkeiten bei der Steuer. Dadurch bist du von vornherein im Vorteil. Arbeitet das Hotel auch noch mit Gewinn, stehst du fabelhaft da.«
»Klingt kinderleicht, wenn du das so sagst. Und was ist, wenn wir in die roten Zahlen rutschen?«
»So tief kannst du gar nicht reinrutschen, daß sich da ein echter Verlust ergibt.«
Ich aß das letzte Stückchen Ei, griff dann nach der Kaffeetasse. »Wollen’s hoffen«, sagte ich. »Aber da ist noch ein Problem,
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