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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Sprungkraft war beachtlich, aber großartig war seine Explosivität, blitzartig schnellte er nach links. Die Rentner auf der
     Tribüne klatschten, als er den Schuss, der bereits auf dem Weg ins Tor schien, um den Pfosten lenkte. »Das hat mir am meisten
     gefehlt«, sagte er, »dieses Gefühl: Für irgendjemanden ist es wichtig, was du machst.«
    Natürlich holten ihn die Fragen noch immer ein, nachmittags beim besten Schokoladenshake der Insel. Was, wenn er nie von Benfica
     weggegangen wäre; was machte einer wie er auf der Ersatzbank der Zweiten Liga? »Und dann denke ich mir: Es wird schon seinen
     Sinn haben, dass der Enke mal einen auf den Deckel gekriegt hat.« Er hatte diesen Sinn schon entdeckt: Er genoss wieder die
     einfachen Dinge des Lebens. »Wieder zu einer Mannschaft zu gehören, wieder zu wissen: zehn Uhr Training. Wieder gebraucht
     zu werden.«
    Zum Training am nächsten Morgen waren es nur noch neuneinhalb Stunden. Er saß im Wohnzimmer, die Lebensfreude ließ ihn noch
     nicht schlafen. In den Regalen, in die Bücher und Porzellan gehörten, lagen zwei Dutzend Torwarthandschuhe und Schienbeinschoner.
     Er trug Jeans und T-Shirt und an jeder Hand ein unterschiedliches Handschuhmodell, Absolutgrip und Aquasoft.
    Er schloss die Klettverschlüsse. Er ballte die Fäuste, ließ die Finger wieder hochschnellen, rieb die Handschuhe gegeneinander,
     erhob sich und blieb hochkonzentriert im Raum stehen. Als würde er den Handschuhen an seinen Fingern lauschen.
    Für einen Torwart gibt es kein schöneres Gefühl, als in die Handschuhe zu schlüpfen und den Klettverschluss zu schließen.
     Dann fühlt er sich geborgen und sicher, oftmals unverletzlich. Die meisten Torhüter bevorzugen deshalb stabile Handschuhe,
     Rüstungen ihrer Seele. Er dagegen trug ungewöhnlich leichte Handschuhe. Er wollte die Beweglichkeit der Finger so wenig wie
     möglich einschränken; er musste den Ball, wenn er ihn fing, nicht nur im Schaumstoff der Handschuhe, sondern bis in die Fingerkuppen
     spüren.
    |242| Sein Sponsor wollte, dass er jedes Jahr mit dem neuesten Modell spielte. »Bei Robert brauchten wir dann jedes Mal um die acht
     Versuche, bis wir den richtigen Handschuh für ihn hatten«, sagt Lothar Bisinger, der bei Uhlsport die Profitorhüter betreut.
     Acht Versuche bedeuteten, dass Robert Enke nach der ersten Anprobe sagte, am rechten Daumen sei der Handschuh zu eng, und
     dann der Handschuh mit einer einen Millimeter breiteren Daumentasche neu angefertigt wurde. Beim zweiten Versuch merkte er,
     dass mit der breiten Daumentasche sich aber nun die anderen Fingertaschen zu eng anfühlten. Die Schneiderin verbreiterte die
     Fingertaschen. »So haben wir uns Millimeter um Millimeter vorgetastet«, sagt Bisinger. In Teneriffa schien Robert Enke der
     Klettverschluss zu eng, wenn er das Handgelenk abwinkelte.
    Die Naht an seinen Torwarthandschuhen war an den Daumen stets an der Außenfläche, an den anderen Fingern bestand er darauf,
     sie innen zu haben. Ohne Außennaht sank der Ball besser in den Schaumstoff, am Daumen dagegen spürte er die Naht auf der Haut,
     wenn sie innen war, das irritierte. »Er hatte auch innen im Handschuh Latex«, sagt Moreira, der Roberts Handschuhe während
     ihrer gemeinsamen Zeit natürlich probiert hatte, »das kannte ich vorher gar nicht, das gab es in Portugal vor ihm nicht. Ich
     habe es mir dann auch gleich bei meinem Hersteller bestellt.«
    Der Schaumstoff auf Robert Enkes Fangflächen war sieben Millimeter dick, vier Millimeter Schaum, drei Millimeter Kaschierung.
     Solche Handschuhe gibt es nicht zu kaufen. Allenfalls sechs Millimeter dick ist der Schaumstoffbelag in der Serienproduktion.
     Wenn Robert Enke normale Torwarthandschuhe anzog, deren Fangflächen einen Millimeter weniger gepolstert waren als seine, ein
     einziger Millimeter Unterschied, merkte er sofort, die Dämpfung stimmte nicht.
    Was genau der Unterschied zwischen dem Naturkautschukbelag beim Absolutgrip und Aquasoft war, konnte ihm auch Bisinger nicht
     sagen. Es gibt nur drei Kautschuklieferanten auf der gesamten Welt für Torwarthandschuhe. »Die Rezepte sind so geheim wie
     bei Coca-Cola«, sagt Bisinger, »ob die Temperatur |243| beim Kautschukteigbacken um drei Grad verändert wurde oder eine neue Chemikalie hinzugefügt wurde, um einen neuen, noch besser
     haftenden Belag zu erzeugen, wissen nur die Hersteller.«
    Den Unterschied zwischen Absolutgrip und Aquasoft musste sich Robert Enke erspielen.
    Er hatte

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