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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Tor.«
    Er war selbst in der Zweiten Liga nur Ersatztorwart. Man traute ihm nicht mehr, einem, der in Istanbul nach nur einem Spiel
     gekündigt hatte, der ein halbes Jahr ohne Praxis war.
    In Köln fragte sich Jörg Neblung: Ersatztorwart in der Zweiten |237| Liga, was war das, das Ende? Er rief Robert an, »Mensch, du musst Druck machen!«
    Robert entgegnete, nur ruhig, das werde schon.
    Er saß fast jeden Tag am Hafen und sah die Dinge anders als Jörg, als die Fußballszene. »Fußball verleitet dazu, immer mehr
     zu wollen, nie zufrieden zu sein«, sagte er. »Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dankbar für das zu sein, was man hat.«
    Vom Hafen ging er oft in die Fußgängerzone, einen Milchshake trinken. Er kenne die beste Eisdiele der Stadt, sagte er. Der
     Stolz war unüberhörbar. Er allein hatte sich Santa Cruz erschlossen, und nun führte er dem Besuch seine Stadt vor.
    Teresa war in Barcelona geblieben. Sie war schwanger, sie hatten die Hunde, sie dachten, ein Umzug lohne sich nicht, er würde
     doch nur eine halbe Saison, fünf Monate, auf Teneriffa bleiben, bis er wieder etwas Besseres fand; hoffentlich. Es war dieselbe
     Situation wie bei seinem Versuch in der Türkei. In Istanbul hatte er sich ohne Teresa verloren gefühlt. In Santa Cruz fühlte
     er sich beschwingt.
    Er wohnte in einer Vierzimmerwohnung nahe am García-Sanabria-Park zur Miete. Das Apartment war komplett möbliert und wirkte
     doch leer. Außer einer unausgepackt auf dem Boden liegenden Satellitenschüssel hatte er keine persönlichen Gegenstände mitgebracht,
     er hatte nichts verändert, auch die Gemälde, Stillleben von Orangen und Bananen, an der Wand hängen gelassen. Es lohne doch
     nicht, sich einzurichten, für die paar Monate, sagte er. Auf dem Bett lag ein Kriminalroman von Henning Mankell. Im Geschirrständer
     standen, von Hand gespült, ein Teller und ein Glas.
    »Es war wie eine Studentenzeit für ihn«, sagt Teresa.
    Jeden Morgen kaufte er sich am Kiosk vor seiner Wohnung zwei Sportzeitungen. Er ließ einen flüchtigen Blick über die Blätter
     gleiten. Er sah das Foto sofort. Es war auf der Titelseite der einen Zeitung, rechts oben im Eck, er fragte sich, warum sie
     ausgerechnet dieses genommen hatten, das Bild war ein halbes Jahr alt. Er erkannte sich darauf kaum wieder.
    Es war das Archivbild von seiner Präsentation bei Fenerbahçe, das Gesicht rot, der Mund offen, der Blick gehetzt. »Schau dir |238| das Bild an«, sagte er. »Da bin ich doch nicht ich selbst.« Er riss die Seite heraus, um sie aufzuheben. Er wollte sich beizeiten
     daran erinnern, wie es ihm in der Depression gegangen war.
    Er legte die Zeitungen auf den Beifahrersitz. Er musste zum Training. Den Sportwagen stellte ihm der Verein zur Verfügung,
     er hatte eine Klausel in den Vertrag einfügen lassen. Am ersten Tag war der Sportdirektor Francisco Carrasco zu ihm gekommen
     und hatte ihm einen Autoschlüssel in die Hand gedrückt. Die Mitspieler lachten. »Was ist los?«, fragte Robert Enke. Der Sportdirektor
     musste seinen Dienstwagen an ihn abtreten, denn es gab keinen weiteren. Die Ahnung streifte ihn, dass Profifußball in der
     Zweiten spanischen Liga nur oberflächlich betrachtet derselbe Beruf war, den er bislang ausgeübt hatte. Sein Gehalt in Teneriffa
     betrug zehn Prozent des Verdienstes bei Barça. Er gehörte zu den bestbezahlten Profis in Teneriffas Team.
    Als das erste Monatsgehalt von Teneriffa einging, sah er lange auf den Kontoauszug. Nach sieben Monaten endlich wieder ein
     Eingang auf dem Konto. »Dieses Gefühl, dass immer nur Geld abging, war beängstigend.« Er zögerte. »Man traut sich ja als Fußballer
     nicht, es auszusprechen, weil es andere viel härter trifft. Aber das Gefühl, arbeitslos zu sein, ist für einen Profi nicht
     weniger schlimm als für einen Elektriker. Du fühlst dich wertlos.«
    Eine Klausel seines Vertrags besagte, dass der Verein Teresa drei Flüge aus Barcelona erstattete. Als er bei ihrem ersten
     Besuch erkannte, wie billig der Flug war, schämte er sich. 160 Euro hin und zurück, und für diesen Vertragszusatz hatte er
     Jörg streiten lassen. Was mussten sie im Verein von ihm denken? CD Teneriffa kämpfte seit Jahren, um seine Profis halbwegs
     bezahlen zu können, und er, der sowieso schon ordentlich entlohnt wurde, machte Schwierigkeiten wegen dreimal 160 Euro. Nach
     dem Training, wenn einer der Mitspieler schnell etwas erledigen musste, sagte Robert Enke oft, »hier, nimm«, und

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