Robert Enke
Krankenschwester führte die Sonde über Teresas Bauch, ein Bild entstand auf der Leinwand, weiße Umrisse auf nachtschwarzem
Grund, tatsächlich, es war ein Mädchen. Es war Lara.
Sie nahmen im Wartezimmer Platz, Frau Doktor Onbargi werde die Ergebnisse der Untersuchung gleich mit ihnen besprechen.
Teresa kam es vor, als würden sie außerordentlich lange warten müssen.
»Señora«, spanische Arzthelferinnen nehmen Anlauf, bevor sie ausländische Namen aussprechen: »Enke?«
Doktor Leila Catherine Onbargi-Hunter, ausgebildet an der Northwestern University von Chicago, mit Diplom des Amerikanischen
Ausschusses für Geburtshilfe und Gynäkologie, gehörte zu den Ärzten, die der Teknon in Barcelona den Ruf einer besseren Klinik
gaben. Für das größte Problem aller Ärzte hatte Doktor Leila Catherine Onbargi-Hunter allerdings auch kein Rezept. Wie überbringt
man schlechte Nachrichten?
Teresa weinte, als sie aus dem Zimmer lief. Robert versuchte sie zu stützen, obwohl er selbst nur schwer die Haltung bewahren
konnte.
Lara hatte einen Herzfehler. »Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Kind im Mutterleib sterben wird.« Aber warten wir |248| noch eine Woche, dann untersuchen wir es noch einmal, hatte Doktor Onbargi schnell angefügt, als die Enkes ihr kaum noch zuhörten.
Teresas Telefon klingelte. Sie waren noch in der Klinik. Vor dem Eingang standen Palmen über geometrisch geschnittenen Hecken.
Man habe einen Termin bei einem Herzspezialisten arrangiert, sofort, sagte Onbargis Assistentin. Roberts Rückflug ging in
80 Minuten. Es war die letzte Möglichkeit, am nächsten Morgen pünktlich beim Training zu sein.
»Robbi, flieg, ich mach das schon.«
»Ich lass dich doch jetzt nicht allein.«
»Bitte, wir haben genug Probleme. Wir wollen uns im Fußball nicht noch eins schaffen, weil du nicht zum Training kommst. Ich
möchte, dass du fliegst.«
Er rief sie vom Flughafen an.
Der Herzspezialist sagte, man müsse das Kind so schnell wie möglich aus dem Mutterleib holen und am Herzen operieren.
Einen Tag später wollte sich Teresa die Diagnose von Doktor Onbargi noch einmal in Ruhe erklären lassen. Aber sie hatte Angst,
dass sie vor Nervosität viele Details falsch verstehen würde. Sie ließ eine Freundin mit der Ärztin telefonieren. Das Kind
habe nicht nur einen Herzfehler, sagte Doktor Onbargi, sondern auch einen Chromosomenschaden. Man spreche vom Turner-Syndrom.
Menschen mit Turner-Syndrom seien kleinwüchsig, trügen ein hohes Risiko von Ohrmissbildungen und hätten eine geringe Lebenserwartung,
fand eine Freundin heraus.
Teresa flog nach München, um am Deutschen Herzzentrum eine zweite Meinung zu hören und sich beim Frauenarzt zu erkundigen,
wie eine Abtreibung vonstatten ging.
Der Kardiologe sagte, es handle sich um das Hypoplastische Linksherzsyndrom. Auf keinen Fall dürfe man eine Frühgeburt einleiten,
wie der Kollege in Barcelona meinte, das sei der sichere Tod. Es seien nach der Geburt im ersten Lebensjahr drei Herzoperationen
nötig, sagte der Kardiologe, dann könne ihr Kind leben. Teresa kam es vor, als sagte er es mit großer Selbstverständlichkeit.
Die Intelligenz von Kindern mit Turner-Syndrom entspreche |249| dem Durchschnitt, mithilfe einer Hormonbehandlung ab dem zwölften Lebensjahr ließe sich auch das Wachstum regulieren, fand
eine andere Freundin heraus. Bei den möglichen Schäden, die man ihnen zunächst genannt hatte, handele es sich nur um die extremsten
Merkmale des Turner-Syndroms, nur wenige Patienten seien davon zur Gänze betroffen.
Teresas Eltern und Brüder sagten ihr, sie wisse doch gar nicht, was es bedeute, solch ein schwer krankes Kind großzuziehen!
Roberts Eltern sagten ihm, sie würden jede Entscheidung mittragen, egal, ob sie den Fötus abtrieben oder versuchten, das Kind
trotz der mannigfaltigen Risiken auf die Welt zu bringen.
Er saß auf einer Ferieninsel vor Afrika und fühlte sich all diesen widersprüchlichen Meinungen aus der Ferne ausgeliefert.
Wem sollte er glauben, wie sollte er abschätzen, wie schlimm es wirklich um ihr Kind stand? Als Teresa vor ihm zu einer Überzeugung
gelangte, was zu tun sei, war er froh. Abtreiben oder leben lassen, er hatte keine Wahl mehr, registrierte er erleichtert.
Nun, da sie sich einmal entschieden hatte, konnte er sich ihr doch nur noch anschließen, denn sie trug das Kind in ihrem Bauch.
Es ging nur noch darum, dieselbe feste Überzeugung wie Teresa zu
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