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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Ehrenrunde. Er trug sie auf seinen Torwarthandschuhen.
    »Dieser Anblick war für mich eine Erfüllung«, sagt Teresa. »Wir hatten es geschafft: die Depression genauso wie Laras Herzoperationen
     überstanden, sportlich war er wieder obenauf, als Paar waren wir glücklich geblieben. Ich hätte ihn gerne eingefroren, den
     Moment.«
    Es wurde Sommer. 2006, das Sommermärchen, sagten die Deutschen. Die Fußball-Weltmeisterschaft und die Sonne waren im Land.
     Robert Enke war als vierter Torwart auf Abruf für die Weltmeisterschaft nominiert, wie es im Jargon heißt: Er stand im Bereitschaftsdienst.
     Falls zwei der drei Nationaltorhüter etwas passierte, würde er nachrücken. Es war der unwahrscheinlichste Fall. Nicht dabei
     sein zu dürfen und sich doch bereithalten zu müssen hielten andere für eine Erniedrigung. Der |286| Schalker Angreifer Kevin Kurányi teilte mit, ihn brauche keiner abzurufen, er fahre in den Urlaub. Robert Enke stand im Garten,
     stolz auf die Scheinnominierung, und bekam wieder einmal den Sonnenschirm nicht auf.
    Auf meinem Schoß im Garten saß Lara. Während Teresa einen Moment ins Haus ging, sagte Robert zu mir, »falls du Laras Hände
     kalt findest, sag Teresa bitte nichts davon, sie macht sich solche Sorgen wegen der kalten Hände«.
    Lara hatte eine PEG-Sonde erhalten. Sie konnte nun direkt durch die Bauchwand ernähert werden statt mit einem Schlauch durch
     die Nase. Die Eltern mussten nicht mehr nach der Mahlzeit mit einem Stethoskop überprüfen, ob die Milch wirklich in den Magen
     gelangt war und nicht versehentlich in die Lunge.
    Ohne den Schlauch im Gesicht schien sie schlagartig gesünder. Die Eltern packten einen Koffer wie für eine Expedition, Milch,
     Spritzen, Tabletten, Pulsoximeter, alles für den Notfall, und gingen mit ihr in den Zoo. Sie setzten Lara in eine Bauchtrage
     und nahmen sie mit den Hunden in die Felder mit. Für Momente vergaßen sie die ewige Uhr im Kopf, sondieren in einer Stunde,
     Zeit zu schlafen in anderthalb Stunden. Eines Abends ließen sie Lara länger als gewohnt, als programmiert aufbleiben. Es waren
     nur 30 Minuten, aber es schien ihnen wie ein Sommermärchen.
    Sein Handy klingelte, Jörg Neblung war dran, es ging um die Vertragsverlängerung in Hannover. In einem Jahr würde sein Kontrakt
     auslaufen, Hannover wollte schnellstmöglich seine Weiterbeschäftigung sicherstellen. Es gab größere Verlockungen. Der Hamburger
     SV war latent interessiert. Bayer Leverkusen hatte seinen Chefscout Norbert Ziegler sogar zum Training geschickt, um ihn zu
     beobachten. Leverkusens Torwart Hans Jörg Butt war bereits 32, Bayers Direktoren diskutierten, ob sie langsam einen Nachfolger
     anwerben mussten, auch wenn sie einen aufregenden Junioren-Nationaltorwart als Ersatzmann großzogen. René Adler hieß er. Aber
     man wusste doch nie, ob aus Talenten wirklich Erfüllungen wurden. »Natürlich könnte ich zu einem größeren Verein wechseln,
     wenn ich es darauf anlege«, sagte Robert Enke im Garten. »Aber wenn Hannover das Gehalt zusammenbringt, kann ich mir gut vorstellen
     zu bleiben.« |287| Er wollte nicht wieder vergessen, dass immer weiter, immer höher nicht immer die richtige Richtung war. »Ich weiß, was ich
     hier habe: Bundesliga spielen, mir montags die guten Kritiken reinziehen.«
    Lara saß im Gras und sah einem der Hunde zu.
    Vor der Tür stand, wie fast jeden Tag, ein behinderter Mann aus dem Dorf und wartete, ein Wort, eine Geste von seinem Idol
     zu erhaschen. Robert Enke sagte, also, bei aller Liebe, jetzt müsse er mit dem guten Mann schon einmal ein ernstes Wort reden,
     der könne sich nicht täglich stundenlang vor die Tür stellen. Dann ging er hinaus, fragte, »wie geht’s?«, und fing gutmütig
     mit dem Mann zu plaudern an.
    Später gingen wir ins Haus, weil ein Weltmeisterschaftsspiel anstand. Italien gegen die USA. Er wollte den Großen Buffon studieren.
     »Aber man sieht nie etwas, weil er nichts zu tun bekommt in seinem Tor.«
    »Er schaut natürlich alle Weltmeisterschaftsspiele«, rief mir Teresa hinterher.
    »Was denn, Südkorea gegen Togo habe ich nicht geschaut.«
    Im Haus hatten sie neben vielen fröhlichen Farbfotos etliche schwarze Malereien aufgehängt. Bilder von Jacques Gassmann.
    Seit Jacques nicht mehr ihr Hausbesetzer war, spürte Robert Enke eine wachsende Zuneigung zu dem Künstler, der, irgendwie,
     doch sein Künstler war. »Ich musste mein Bild von ihm revidieren«, sagt Jacques Gassmann. Als er bei

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