Robert Enke
eigentlich
entstanden waren, hatte Neururer die zwei in den Wochen zuvor außen vor gelassen.
Alles in Ordnung, sagte die Ärztin am frühen Abend zu Teresa, beide Operationen seien geglückt, der Kreislauf der Kleinen
sei stabil. Sie brachten Lara aus dem Operationssaal. Um den Kopf trug sie einen Verband. Um acht endete die Besucherzeit
auf der Intensivstation, Teresa fuhr nach Hause. Für Robert begann in Wolfsburg das Spiel.
|293| Schnell zeigte sich, dass ein Trainer mit klarer Ansprache eine Elf in einer Woche verändern kann. Nichts ist im Fußball schwerer
zu erreichen als Einfachheit, aber wenn Dieter Hecking defensive Mechanismen erklärte, erschien auf einmal alles, was wochenlang
misslungen war, einleuchtend; einfach. Hannover 96 kontrollierte das Spiel in Wolfsburg mit seiner defensiven Ordnung, der
Ball fand nicht aus dem Mittelfeld heraus. Brdarić brachte sie 0:1 in Führung. Im Gegenzug fiel allerdings schon der Ausgleich.
Teresa hatte zu Hause den Fernseher eingeschaltet, bei Gegentoren stockte ihr automatisch der Atem. Robert hatte nichts ausrichten
können, überzeugte sie sich in der Zeitlupe. Brdarić schoss das 1:2. Hannover hatte zum ersten Mal in der jungen Saison gewonnen.
Teresa schlief problemlos ein.
Am nächsten Morgen um acht ging Robert in die Klinik. Lara habe nachts ein wenig erbrochen, aber alles im Rahmen, alles in
Ordnung, sagte die Krankenschwester. Sie wollten im Turnus bei Lara wachen, nachmittags Teresa, nachts Robert. Lara schlief,
noch immer erschöpft von der Narkose. Robert las die Zeitungen. »Neururer interessiert in Hannover keinen mehr«, sagte der
zweifache Torschütze Brdarić in der
Hannoverschen Allgemeinen
. Von Robert Enke war wie immer nach den besten Spielen für einen Torwart nicht die Rede: Er hatte keine schwere Arbeit gehabt.
Teresa ging in den Feldern joggen. Nachmittags löste sie Robert wieder ab. Er fuhr nach Empede und schaute die Bundesliga,
Bayern war dabei, tatsächlich in Bielefeld zu verlieren, für Hamburg setzte es in Dortmund auch schon wieder eine Niederlage,
denen fehlte wirklich ein überragender Torwart. Spätestens in der Winterpause würde er entscheiden, ob er ging oder in Hannover
blieb.
»Alles in Ordnung«, sagte ihm Teresa, als er zur Nachtwache zurückkehrte, »versuch aber, noch ein bisschen Nahrung zu sondieren,
ich habe nicht viel Flüssigkeit in sie hineinbekommen.« Kleinigkeiten wie einen Löffel Brei aß Lara bereits mit dem Mund.
Feste Nahrung wie ein Stückchen Brot nahm sie meistens nur in den Mund und spuckte es dann aus; dass man so etwas schlucken
konnte, wusste sie noch nicht. Manchmal gaben ihr die Eltern einen roten Lolli, an dem lutschte sie ewig. |294| Diesmal schleckte Lara nur zweimal an dem Lutscher und gab ihn dann Teresa zurück. War das ein Signal, dass es ihr nach der
Operation noch nicht so gut ging? Oder war es die normale Laune eines Kindes?
Abends in Empede machte sich Teresa eine Pizza. Sie dachte, schön, jetzt haben wir das mit den Implantaten auch geschafft.
Wie es wohl werden würde, wenn Lara endlich mit ihnen reden konnte? In der Klinik versuchte Robert weiter, ihr künstlich Nahrung
über die Sonde zuzuführen, aber Lara nahm nicht viel auf. Er sah es nicht dramatisch. Etwas hatte sie ja gegessen. Gegen 22
Uhr rief Teresa bei ihm an. Alles in Ordnung, sagte Robert. Lara schlief.
Er durfte bei seiner Tochter im Zimmer übernachten. Nach ein, zwei Stunden hörte er, wie Lara begann, sich hin und her zu
wälzen. Er legte seine Hand auf sie, um sie zu beruhigen. Ihr Körper war kalt. Um sich zu beschäftigen, um irgendetwas zu
tun, bemühte er sich noch einmal, ihr Flüssignahrung über die Sonde zuzuführen. Um Mitternacht rief er den Nachtdienst.
Er denke, sie habe Schmerzen nach der Operation, sagte der Arzt im Dienst und verabreichte ihr ein Schmerzmittel. Da schliefen
sie und Robert ein. Gegen fünf wachte er auf. Eine Krankenschwester stand neben Laras Bett und schraubte am Pulsoximeter herum.
Das Messgerät stand auf der Nulllinie. Vermutlich sei der Sensor kaputt, sagte die Schwester. Ihre Bewegungen waren ernst
und ruhig.
Sie tauschte den Sensor aus. Der neue fand auch keinen Pulsschlag mehr. Hektisch versuchte die Schwester, Lara zu reanimieren,
sie rief den Arzt im Dienst, der Arzt rief die für die Kinderintensivstation zuständige Oberärztin an. »Um wen geht es?«,
fragte die Oberärztin. Lara Enke. Sie war verblüfft.
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