Robert Enke
Goethe-Institut lud ihn anlässlich
der Weltmeisterschaft zu einer Veranstaltung nach Lissabon ein. Nach vier Jahren kehrte er zum ersten Mal zurück. Als sie
die Stadt vom Flugzeug aus sahen, fing Teresa an zu weinen.
»Was machst du denn?«
»Ich bin so glücklich«, sagte sie und dachte an einen Satz, von dem sie glaubte, ihn längst vergessen zu haben, seine ersten
portugiesischen Worte.
É bom estar aqui.
Es ist gut, hier zu sein.
Er wollte sofort nach Cascais zum Meer, nach Estoril ins
La Villa
, zum Pálacio Fronteira, ins
Blues Café
. »Es war schön, an seiner Seite zu gehen und zu merken: Hier ist er zu Hause«, sagt Paulo Azevedo, der die Veranstaltung
des Goethe-Instituts organisierte. Oft mussten sie stehen bleiben, weil Passanten Robert ansprachen. Sie wollten ihm sagen,
er müsse zurückkommen. »Und das Erstaunliche war, es spielte keine Rolle, ob es Fans von Benfica oder den großen Rivalen Sporting
und Porto waren. Die Leute sagten allesamt: ›Mensch, komm zurück‹«, erzählt Paulo Azevedo. »Wenn es Sporting-Fans waren, fügten
sie hinzu: ›Aber dann zu uns.‹ Das zeigt, welch einen Eindruck er hier hinterlassen hatte.« Veranstaltungen des Goethe-Instituts
mit mehr als 50 Gästen sind selten, zur Diskussionsrunde mit Robert Enke kamen 800. Ein portugiesischer Fernsehsender übertrug
live.
Lissabon war die große Zeit gewesen, der Gedanke kam ihm ohne Schmerzen. Das Leben in Hannover hatte ihn mit seinem Weg versöhnt.
|291|
Robert Enke und sein neuer Freund Paulo Azevedo bei der WM-Aus
strahlung
in Lissabon. [23]
Obwohl Lara bereits anderthalb Jahre bei ihnen in Empede war, fühlten sie sich in der Klinik der Medizinischen Hochschule
noch immer auf beklemmende Art zu Hause. Zu regelmäßig mussten sie zu Untersuchungen. Auch diesmal hatten die Ärzte wieder
eine neue Nachricht für sie. Lara sei taub. Es deute allerdings alles darauf hin, dass ihr Hörnerv noch funktioniere, von
daher sei daran zu denken, Cochleaimplantate in die Ohren einzusetzen. Auch mit dem Hörgerät würde es zwei bis drei Jahre
dauern, bis Lara das Hören erlerne, aber es sei möglich. Teresa und Robert verschoben die Operation auf September, damit Lara
ihren Geburtstag am 31. August zu Hause feiern konnte.
Die Bundesligasaison 2006 /07 lief bereits, seine dritte in Hannover. Im zweiten Jahr waren sie nach Lienens Entlassung noch
Zwölfter geworden, sehr solide, Robert Enke jedoch wollte sich nicht bekehren lassen, dass der Rauswurf seines Mentors etwas
bewirkt habe: »Wir hätten auch mit Lienen die Kurve gekriegt.« Was dessen Nachfolger betraf, Peter Neururer, so blieb er skeptisch.
»Wäre schön, wenn wir auch mal etwas anderes als Eckbälle |292| trainierten.« Mit Toren nach gut einstudierten Eckbällen und einer halbwegs sortierten Abwehr hatte Neururer seit Jahren in
der Bundesliga kurzfristig Erfolg, genauso sicher verließ ihn angesichts seines Nischenprogramms allerdings auch mittelfristig
das Glück. Nach nur drei Spielen der neuen Saison wurde er entlassen, mit drei Niederlagen stand die Mannschaft auf dem letzten
Tabellenplatz. Dieter Hecking war der Nächste in Hannover.
Das erste Spiel mit dem neuen Trainer fiel auf den Tag von Laras Ohrenoperation. Robert Enke musste noch einmal mit seiner
ganzen Konzentration an zwei Orten gleichzeitig sein, Fußballplatz und Operationssaal. Doch diesmal stand die Klinik für die
Hoffnung, denn die Operation würde im Vergleich zu den drei Eingriffen am offenen Herzen weniger kompliziert, weniger beängstigend
sein. Im Stadion wartete ein schwieriger Test. Wenn sie unter dem neuen Trainer nicht gleich gewannen, konnten sie leicht
im Abstiegskampf stecken bleiben.
Er war mit seiner Mannschaft im Hotel zur Einstimmung auf die Bundesligapartie beim VfL Wolfsburg. Teresa saß im Wartesaal
der Klinik. Lara lag auf dem Operationstisch. Die Ärzte überprüften die Werte, Herzschlag, Puls, Sauerstoffsättigung, Laras
Zustand in der Vollnarkose war stabil. Sie konnten operieren. Nachdem sie das erste Cochleaimplantat eingesetzt hatten, wollten
sie entscheiden, ob sie es Lara zumuten konnten, auch noch am zweiten Ohr zu operieren. In Wolfsburg gab der neue Trainer
die Mannschaftsaufstellung bekannt. Thomas Brdarić, der achtmalige Nationalspieler, und Altin Lala, der Kapitän, kehrten in
die Elf zurück. In einem dieser für den Profifußball typischen Konflikte, von denen keiner mehr wusste, wieso sie
Weitere Kostenlose Bücher