Robert Enke
Fußball-Bundes,
wie es denn mit einer Pressekonferenz aussehe. Seine Nominierung nach so langer Zeit sei natürlich eine Nachricht.
Selbstverständlich stehe er zur Verfügung, sagte Robert Enke.
Aber es sei auch mit Fragen nach Laras Schicksal zu rechnen.
Dann würde er schon wissen, welche er beantworte und welche nicht.
Er hatte seit ihrem Tod nicht mit den Reportern gesprochen. Es war nicht schwer gewesen. Die Reporter, selbst die der Boulevardzeitungen,
hatten pietätvoll Abstand gehalten.
Nun saß er in Berlin vor einer Hundertschaft auf dem Podium und bat, vor der ersten Frage etwas sagen zu dürfen. »Ich möchte
als Erstes die Gelegenheit nutzen, mich auch im Namen meiner Frau für die Anteilnahme zu bedanken, die uns in den letzten
Wochen unglaublich viele Leute ausgesprochen haben. Jede einzelne Zuschrift hat uns sehr gefreut und auch ein Stück weit geholfen.
Bitte veröffentlichen Sie das auch wirklich! Es ist meiner Frau und mir ungemein wichtig.«
|300| Die Fragen, die danach kamen, wurden mit leisen Stimmen vorgetragen. Seine Antworten unterbrach er selbst immer wieder mit
einem kurzen Husten.
»Durch Laras Krankheit war ich immer mit Leben und Sterben konfrontiert«, sagte er, deshalb habe er sich auch schon vor ihrem
Tod mit der Frage beschäftigt, was passiert, falls sie stirbt. »Dann muss es weitergehen. Die Trauer darf dich nicht besiegen.«
Robert Enkes Auftritt sei einer der beeindruckendsten gewesen, die man je auf einer Fußball-Pressekonferenz erlebt habe, schrieben
die Sportreporter danach. Er habe ein Zeugnis seiner enormen Stärke abgelegt.
Robert Enke selbst fühlte sich nicht enorm stark. Er riss sich zusammen. »Ich hatte einfach Angst, dass die Leute mich meiden,
weil sie nicht wussten, wie sie mit mir umgehen sollten. Deshalb habe ich von Anfang an versucht, mich so natürlich wie möglich
zu geben.«
Nach zwei, drei Monaten kam er manchmal am Telefon von sich aus auf Lara zu sprechen. Er habe erst gestern wieder Fotos von
ihr angeschaut, »auf jedem zweiten hat sie gelacht«. Aber als wir einmal für eine Reportage, sozusagen öffentlich, über sie
redeten, was er ausdrücklich wollte, sagte er: »Komm, lassen wir den Fernseher nebenbei laufen«, da gebe es gerade ein Fußballspiel.
So hörte er seine eigenen Worte nicht so sehr. »Vor ihrem Tod kann ich nicht davonlaufen«, sagte er. »Ich weiß, dass ich mich
damit abfinden muss.« Abfinden, sagte er dann, das klinge jetzt falsch, aber er finde kein besseres Wort, ich wüsste, was
er meinte, oder? Ich nickte, und wir starrten auf den Fernseher.
Kurz vor Weihnachten 2006 stellte ihre tote Tochter die Eltern noch einmal auf eine Probe. Sollten sie in Empede wohnen bleiben,
um nah an ihrem Grab zu sein? Oder sollten sie fortziehen, weil sie nur in der Distanz den Schrecken wirklich hinter sich
lassen konnten? Sein Kontrakt bei Hannover 96 lief in einem halben Jahr aus. Der Moment zu entscheiden war gekommen: bleiben
oder gehen? Die Optionen Hamburg und Leverkusen |301| hatten sich zerschlagen. Der Hamburger SV hatte durch die Gunst des Zufalls plötzlich in Frank Rost einen Klassetorwart verpflichten
können. Bayer Leverkusen wollte es mit Butt und dem talentierten Adler in der Hinterhand noch eine Zeit lang versuchen. »Wenn
mein Torwarttrainer mich nicht gehabt hätte, hätte er vermutlich Robert geholt«, sagt René Adler. »Er war immer angetan von
Robert.« So aber blieb der VfB Stuttgart, der gerade auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft war und um ihn warb.
»Lass uns gehen«, sagte Teresa. »Fangen wir in Stuttgart neu an.«
»Ich weiß nicht. Ich habe Hannover so viel zu verdanken. Wenn sie mich damals nicht aus Teneriffa gerettet hätten, würde ich
vielleicht heute noch in der Zweiten Liga spielen.«
»Aber an einem neuen Ort wären wir diese bleierne Erinnerung los, die hier an jedem Gegenstand, an jedem Ort hängt.«
»Wegzugehen hieße doch nur wegzulaufen vor der Erinnerung.«
»Gut, dann mach das mit Hannover. Dann müssen wir wenigstens nicht mehr darüber nachdenken«, sagte Teresa abrupt.
Aber so einfach war es nicht. Natürlich überlegte er weiter. Stuttgart wäre schon eine tolle Adresse, er würde Champions League
spielen und vielleicht endlich einmal einen Titel gewinnen. Vielleicht sollte er sich in der Winterpause einmal mit Stuttgarts
Trainer Armin Veh treffen. Doch Veh wich dem Wunsch aus, sich unverbindlich zusammenzusetzen.
Mit
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