Robert Enke
du das machen?«
Am Abend, es war schon nach elf, rief er bei Sabine Wilke an. »Bei unangenehmen Sachen rief immer Robbi an, nicht Teresa«,
sagt Sabine, »auch wenn bei ihnen mal das Warmwasser nicht funktionierte und Teresa fragen wollte, ob sie bei uns duschen
dürfe.«
Teresa könne leider nicht mit in den Skiurlaub fahren, sagte er. Er sei krank, eine Grippe, wer sollte sich um die Hunde kümmern,
falls Teresa wegfuhr.
Zwei Tage später rief er wieder bei Sabine an. Sie saß nach dem Skifahren in der Nähe von Kufstein vor einer Almhütte.
»Mir geht es schon viel besser. Ich habe zu Terri gesagt, sie soll doch nachkommen in den Skiurlaub, aber jetzt will sie nicht
mehr. Kannst du mal versuchen, mit ihr zu reden?«
Er reichte den Hörer an seine Frau weiter.
»Teresa, willst du nicht doch kommen, du hattest dich doch auch seit Monaten auf den Urlaub gefreut?«
»Ich weiß nicht. Robbi geht es nicht so gut.«
»Ich habe dir doch gesagt: Fahr!«, rief er aus dem Hintergrund.
|350| »Willst du wirklich den Urlaub sausen lassen, weil dein Mann eine Erkältung hat?«, fragte Sabine.
»Das muss ich dir mal in Ruhe erzählen«, sagte Teresa.
Im Hintergrund sagte Robert, er buche jetzt einfach den Flug für sie.
Am nächsten Nachmittag saß Teresa beim Après-Ski in Österreich und erzählte Sabine, dass Robert Enke Depressionen hatte.
»Was hat er?«, rief Sabine. Sie hatte fast zwanzig Jahre als Arzthelferin in der Neurologie und Psychiatrie gearbeitet. Aus
dieser Zeit war ihr ein anderes Bild von Menschen geblieben, die an Depressionen litten, als der ausgeglichene Torhüter, den
sie in den letzten Jahren kennengelernt hatte.
Er hatte seit Jahren keine Attacke mehr gehabt, erklärte ihr Teresa, aber durch den Kahnbeinbruch sei er wieder ins Schlittern
gekommen, auch wenn die Krankheit diesmal nicht wirklich ausgebrochen war.
Robert Enke hatte mit Teresa ausgemacht, dass sie die Empeder Freunde einweihte. Es laugte ihn aus, überall den Menschen spielen
zu müssen, für den ihn alle hielten.
Langsam vergaß er die Schraube in seinem Handgelenk. Im ununterbrochenen Rhythmus zwischen Training und Bundesligaspielen
fanden die Gedanken wieder ihre alte Spule, nicht zu früh runtergehen, den Verteidigern sagen, zwei Schritte vor, welche Note
habe ich im
Kicker
, wie hat René Adler gespielt.
Oft machte er sich nun Notizen auf Zetteln, zu Hause im Büro genauso wie im Hotel vor Bundesligaspielen. Er war dabei, Teresa
ein Gedicht zu ihrem 33. Geburtstag zu schreiben. Sie hatte es so dahingesagt, er solle ihr doch ein Gedicht schenken. Sie
würde staunen, wenn er es wirklich schrieb.
Im Frühling, sieben Monate nach dem Kahnbeinbruch, sagte ihm Doktor Stroscher, er halte die Therapie für abgeschlossen. Robert
Enke betrachtete das Leben wieder mit stillem Optimismus.
Er dachte daran, was Marco und Jörg ihm geraten hatten. Sollte er nicht in Gesprächstherapie bleiben, so wie er täglich Rückengymnastik
zur Vorbeugung betrieb? Stroscher habe ihm |351| geantwortet, sich einfach nur zum Reden zu treffen bringe nichts, erzählte Robert Teresa. Nur falls Robert das Gefühl habe,
er müsste noch alte, tiefer liegende seelische Wunden heilen, dann sollten sie selbstverständlich weiterarbeiten, habe ihm
der Arzt gesagt. Aber da gebe es ja nichts, sagte Robert Teresa. Seine Hand sei geheilt und damit auch der Kopf.
Es ging ihm besser als Hannover 96. Für die Mannschaft war der Sieg über Schalke nur eine Täuschung gewesen. Sie schleppte
sich im hintersten Mittelfeld der Tabelle durch die Bundesligasaison, nahe an den Abstiegsrängen. Gegentore fielen in beängstigender
Häufigkeit, drei gegen Cottbus, Stuttgart, Mönchengladbach, fünf gegen Bayern München, vier gegen Dortmund. Beim Auswärtsspiel
in Wolfsburg hatte der Trainer in der Halbzeit wieder einmal getobt, sie lagen schon wieder 0:1 zurück. Er erwarte von ihm
eine positive Ausstrahlung auf das Team, hatte Hecking Hanno Balitsch angebrüllt. »Sind Sie dann auch mal positiv?«, hatte
Balitsch geantwortet. Die meisten in der Mannschaft fühlten, Balitsch habe für sie geredet. Hecking wechselte den Mittelfeldspieler
aus und suspendierte ihn für eine Woche vom Training.
»Hecking war ein richtig guter Trainer, mit klaren Vorstellungen und einem kompetenten Training«, sagt Balitsch. »Aber im
dritten Jahr hatte sich das Verhältnis zwischen ihm und der Mannschaft total zerschlissen. Wir konnten das
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