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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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in der aufgeladenen Atmosphäre hinreißen lassen, Schlaudraff wegen seiner törichten Ballverluste öffentlich zu
     kritisieren. Danach erschrak er über sich selbst. Wie konnte es so weit kommen, dass er seine eiserne höchste Regel vergaß,
     niemals einen Kollegen öffentlich zu rügen? Er dachte daran, was für eine tolle Mannschaft sie in Hannover gewesen waren,
     und erwischte sich dabei, wie er in der Vergangenheitsform an diese Mannschaft dachte.
     
    Er war nervös, als er zum ersten Mal nach dreieinhalb Monaten wieder seine zweite Haut auf den Fingern spürte. Er schloss
     den Klettverschluss der Torwarthandschuhe und wartete auf den ersten Schuss des Torwarttrainers. Als er ihn gefangen hatte,
     drückte er mit den Fingern auf den Ball, um sich zu versichern, dass es seine alten Hände waren, dass nichts, nicht einmal
     ein komisches Gefühl, im Handgelenk zurückgeblieben war. Der Ball fühlte sich noch genauso an in seinen Händen. Er rollte
     ihn schwungvoll zurück zum Torwarttrainer, und der nächste Schuss kam schon auf ihn zu.
    Was sich verändert zu haben schien, als Robert Enke im Januar 2009 ins Mannschaftstraining zurückkehrte, war nicht seine Hand,
     sondern sein Revier. Die 20 Meter vor dem Tor. Er wusste doch ganz genau, wo er in welcher Spielsituation zu stehen hatte,
     aber es kam ihm vor, als bewegte er sich auf unbekanntem |348| Terrain, die Distanz zu den Verteidigern und gegnerischen Stürmern kam ihm mal zu groß, mal zu klein vor, selbst das Tor hinter
     ihm schien nach Lust zu wachsen und zu schrumpfen. »Mir fehlt das Gefühl für den Raum.«
    Er war noch vollauf mit der Rückeroberung seines Reviers beschäftigt, als am 31. Januar die Bundesliga nach der Winterpause
     wieder begann. Er hatte, nach dreieinhalb Monaten Pause, nur zwei Wochen Fußballtraining hinter sich.
    Vor seinem Comeback zog er sich noch einmal die Baseballmütze tief ins Gesicht und ging zu seinem neuen Psychiater. Doktor
     Stroscher war ihm sympathisch, nach den Gesprächen fühlte er sich jedes Mal besser.
    Er ging vor dem Spiel gegen Schalke 04 seine Rituale durch, um das Gefühl zurückzuzwingen, dies sei eine Partie wie Hunderte
     zuvor. Er aß den Milchreis mit Apfelmus und Zimt am Abend vor dem Spiel. Er schaute das Freitagabendspiel der Bundesliga unten
     in der Hotelbar mit ein paar anderen Spielern. Er ließ sich den Spielberichtsbogen, den er als Kapitän unterschreiben musste,
     vor dem Anpfiff von Tommy Westphal unter der Tür hindurchschieben, während er auf der Toilette saß.
    Am Tag nach dem Spiel würde Teresa für eine Woche mit den Freunden Skifahren gehen, erinnerte er sich. Dann wäre er allein.
     Er schickte Teresa eine SMS. »Entschuldigung für mein Benehmen in den letzten Tagen. Ich bin zurzeit so angespannt.«
    Schalke begann, als hätte etwas die Mannschaft in Rage gebracht. Sie überrannten Hannover. Nach zwei Minuten stand Jefferson
     Farfán frei vor Robert Enke. Er fühlte sich noch roh, er merkte nicht, wie sein Körper schon wieder die alten Automatismen
     abspulte, sich groß machen, lange stehen. Farfán umspielte ihn. Er hatte ihn durch sein Stellungsspiel allerdings so weit
     nach außen abgedrängt, dass Farfán statt ins Tor nur an den Außenpfosten traf. Robert Enke lag noch am Boden, da flog schon
     der Nachschuss heran und – über das Tor. Ein weiterer Schuss pfiff knapp über das Tor, einen scharfen Kopfball von Heiko Westermann
     hielt er. Es waren noch nicht einmal sechs Minuten vorüber. Nur zwei Minuten später fiel dann das erste Tor.
    |349| Hannover bekam endlich einmal den Ball im Mittelfeld zu fassen, Pinto sah, dass Schalkes Torwart Manuel Neuer nach der Lehre
der Radikalen
weit vor dem Tor stand, und sandte den Ball aus 25 Metern über ihn ins Tor.
    Bis zum Schlusspfiff hatte Robert Enke kaum noch Ruhe. Tausende Fäuste waren in der Luft, als er einen Schuss von Halil Altintop
     mit einem unglaublichen Reflex über die Torlatte lenkte, eine Minute später hatte er Glück, als der nächste Schuss an den
     Pfosten klatschte. Hannover siegte 1:0. Er hatte eines seiner besten Spiele in seinen fünf Jahren in Hannover absolviert.
    Als er Teresa in einer Stadionlounge abholte, sah sie sofort die roten Flecken in seinem Gesicht.
    »Robbi, ist alles in Ordnung?«
    »Mir ist so heiß.«
    Er hatte Fieber. Der Körper reagierte auf die Anspannung.
    »Ist dir lieber, wenn ich nicht in den Skiurlaub fahre?« Sie sagte es einfach, um ihn zu beruhigen.
    »Echt, würdest

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