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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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lassen, die Angriffe
     variieren.
    Hannover 96 überforderte sich selbst im Herbst 2008 mit der Ambition, besonders zu werden.
    Trainer Dieter Hecking wollte jetzt »immer offensiv und dominant spielen«, mit zwei statt wie bisher einem Stürmer. Und eine
     Elf, die angreifen sollte, kassierte Gegentore wie nie zuvor.
    Der Ruheraum wurde zum Symbol der guten Absichten, mit denen alles schlechter wurde. Jens Rasiejewski, der Assistent des Sportdirektors,
     war zu den namhaftesten Klubs der Welt gereist, zu Manchester United, FC Chelsea und dem Footballteam Baltimore Ravens, um
     sich etwas von den feinsten Trainingsanlagen abzuschauen. So bekam Hannover 96 einen Ruheraum wie Manchester, Chelsea, Baltimore,
     und niemand in der Vereinsführung merkte, dass das Beste draufging, die schäbige Kabine zwei – der besondere Zusammenhalt
     des Teams. Wer ging in einen Ruheraum, um gemeinsam zu lachen?
    Robert Enke litt unter dem Gefühl, dass die Fußballer um ihn herum immer weniger
seine
Mannschaft waren. Die Spieler, mit denen er sich in der Kabine zwei getroffen hatte, um Bockwurst zu essen oder aus purem
     Übermut Mille den Kopf kahl zu rasieren, wurden immer weniger. Frank Juric, Silvio Schröter, Dariusz Zuraw, mehr als ein Dutzend
     seiner Teamfreunde hatte Hannover in den zurückliegenden drei Jahren verlassen. Ein Verein, der nach oben strebte, glaubte,
     ständig bessere Spieler kaufen zu müssen. Hannover 96 verpflichtete Profis wie Valerién Ismaël oder Jan Schlaudraff, die von
     den besseren Vereinen weggeschickt worden und deshalb sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Dazu kamen Bulgaren und Dänen, |346| die in ihrer Karriere nie gelernt hatten, Wurzeln zu schlagen, weil sie von ihren Vereinen alle ein oder zwei Jahre wie eine
     Ware weitergeschickt worden waren. Robert Enke und die geschrumpfte Clique aus Kabine zwei fanden, dass diese Neuen sich nicht
     integrierten. »Es hieß immer, wir holen neue Spieler mit individueller Qualität. Tatsächlich hat man nur Individualismus geholt«,
     sagt Hanno Balitsch, der zu Robert Enkes engstem Vertrauten im Team geworden war. Viele Neue dagegen fanden, die Alten bildeten
     einen geschlossenen Machtzirkel. Und es gab keine Kabine zwei mehr, in der beide Seiten hätten merken können, so schlimm waren
     die anderen gar nicht.
    Der Trainer versuchte, ein professionelles Gemeinschaftsgefühl aufzubauen. Das Training war mittwochs um 16.30 Uhr aus. Dieter
     Hecking ordnete an: Bis mindestens 17 Uhr bleibt jeder in der Kabine. Vor ein, zwei Jahren waren mittwochs nach dem Training
     zehn, zwölf Mann stundenlang zusammengesessen. Nun duschten viele der Spieler in fünf Minuten, setzten sich stumm in den Vorraum,
     starrten auf den Fernseher und blickten immer wieder auf die Uhr, wann es endlich fünf war. Robert Enke blieb auf dem Trainingsplatz
     und übte bis Punkt 17 Uhr. Vereint waren sie nur in der Meinung, was für eine sinnlose Aktion vom Trainer das wieder war.
    Die Spannung, unter die sich der Klub mit den hohen Ambitionen gesetzt hatte, war im Herbst 2008 allgegenwärtig. Viele Spieler
     wie Robert Enke, Hanno Balitsch oder Steve Cherundolo standen den offensiven Träumen des Trainers skeptisch gegenüber. In
     seinen ersten anderthalb Jahren hatte Dieter Hecking aus ihnen eine Mannschaft gemacht, die genau wusste, was sie konnte,
     exzellent verteidigen und simpel angreifen; warum änderte er nun, was funktioniert hatte? Hecking wiederum war gereizt, weil
     er fand, die Spieler setzten einfach nicht um, was er von ihnen verlangte. Er hatte den Traum vom großen Sprung doch ausgegeben,
     um eine Aufbruchsstimmung zu kreieren.
    »So, ich male jetzt hier mal einen Rucksack an die Tafel«, sagte Hecking an einem Nachmittag in der Umkleidekabine, |347| »und da werfen wir alles rein, was uns in letzter Zeit gestört hat.«
    Es war ein Angebot zur Versöhnung. Doch am Ende der Aussprache ging es nur wieder hoch her. Michael Tarnat, einer der alten
     Wächter über den Mannschaftsgeist, blickte einen der Neuen an. Jan Schlaudraff hatte wiederholt bei leichtsinnigen Dribblings
     den Ball verloren und das Team in Bedrängnis gebracht. »Ich werde dich jagen und treten!«, sagte Michael Tarnat.
    Robert Enke war zu beschäftigt mit seiner Hand, um sich wegen der gereizten Stimmung im Verein verrückt zu machen. Aber unterbewusst
     belastete es ihn, ein weiterer dunkler Fleck, ein weiterer Beweis, dass sich alles gegen ihn verschworen hatte. Er selbst
     hatte sich

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