Robert Enke
den Hunden zum Strand.
»Prompt begann es zu regnen«, erzählte Robert und fügte hinzu, wie man es ohne nachzudenken so sagt: »Da war die Depression
komplett.«
Robert Enkes Sehnsucht nach Orten wie Kaiserslautern oder Bremen wuchs mit den Absagen aus der Bundesliga. Zu Hause in Sassoeiros
schaute er deutschen Fußball im Satellitenfernsehen und es schmerzte ihn, dass der deutsche Fußball nicht ihn anschaute. »Klar
wäre es schön, wenn jemand in Deutschland mal bemerkte: Der Enke lag in den drei Jahren in Portugal nicht nur am Strand.«
Er wurde begehrt von den größten Klubs der Welt wie Manchester United, er war ein Star in Portugal und in Deutschland nur
ein übersehener Weltklassetorwart; ein Souverän ohne eigenes Land. Es lag weniger an ihm als an der europäischen |131| Randlage. Portugals Liga, im internationalen Vergleich nur Klasse 1b, wurde in Deutschland weitgehend ignoriert. Für die Champions
League, eine der vermeintlichen Attraktionen, 1999 nach Lissabon zu wechseln, hatte er sich mit Benfica nie qualifiziert.
Auch im dritten Jahr würden sie nur Vierter in Portugal werden. 27-mal war Benfica portugiesischer Meister gewesen, doch das
letzte Mal 1994. Nur als Portugal-Reiseführer tauchte Robert Enke gelegentlich in den deutschen Medien auf. Dann durfte er
berichten, »hier trinkt man kein Wasser mit Kohlensäure, das bläht den Magen zu sehr auf« und »im Supermarkt darf man in Lissabon
keine Eile haben«. Aber ein Spiel von ihm für Benfica sah sich in drei Jahren ein einziger deutscher Sportreporter an.
Im Garten von Sassoeiros trug Robert Enke das Trikot von Werder Bremen. Besuch seines Freundes Marc aus der Heimat hatte ihm
das grüne Jersey mitgebracht.
Jörg Neblung teilte Teresa und Robert Enkes plötzliche Vorliebe für ruhige deutsche Städte nicht. »Robert fühlte sich wie
der verlorene Sohn der Bundesliga, aber ich fand: Mein Gott, du wirst in England und Spanien geschätzt, den Ländern mit den
stärksten Ligen, da musst du dich nicht in Deutschland anbiedern.«
Er hatte Angebote von Alavés und Espanyol Barcelona aus der spanischen Primera División vorliegen, zwei Klubs der aufstrebenden
Mittelklasse. Oder sollte er doch zum FC Porto wechseln?
Jörg Neblung hatte sich einige Monate zuvor als Sportagent selbstständig gemacht, neben Robert Enke zählten zunächst nur ein
weiterer Torwart, Alexander Bade, Ersatzmann beim 1. FC Köln, und die Weitsprung-Olympiasiegerin Heike Drechsler zu seinen
Klienten. »Ich wusste, der Transfer von Robert war existenziell für mich.«
Er ging die internationalen Spitzenklubs durch. Der FC Barcelona, Hüter des schönen Spiels, könnte vielleicht einen Torhüter
suchen, der Trainer dort hatte jüngst mehrmals zwischen Roberto Bonano und Pepe Reina hin und her gewechselt, das war immer
ein Zeichen von latenter Unzufriedenheit. »Aber |132| Jörg Neblung, Frischling aus Köln, kann ja nicht einfach bei Barça anrufen«, sagt Jörg Neblung.
Er brauchte einen Zwischenhändler.
In wenigen Tagen hatte er zwei.
Bernd Schuster, blonder Engel der Achtziger, dessen Diagonalpässe aus dem Mittelfeld das Publikum schlagartig verstehen ließen,
was Schönheit ist, hatte als einziger Deutscher je für Barça gespielt. Eine besondere Attraktion war damals seine Frau Gaby
gewesen. Sie trat als seine Managerin auf. Einen Anruf bei den alten Kontakten erledigte sie immer noch gerne, wenn eventuell
eine Provision dabei heraussprang. Sie ließ Barças Sportdirektor Anton Parera wissen, dass es in Portugal einen talentierten
und ablösefreien Torhüter gebe, den bereits Manchester United verpflichten wollte.
In einem Verein wie Barça mit zwanzig Präsidiumsmitgliedern, die am liebsten alle ihre eigene Politik machen wollen, bleibt
nichts geheim. Irgendjemand aus Barças Präsidium informierte den portugiesischen Agenten José Veiga: Unser Sportdirektor interessiert
sich wohl für Benficas Torwart, vielleicht kannst du auf den Transfer noch aufspringen. Und schon hatte Jörg Neblung Veiga
am Telefon. Er könne ihm bei Barça ein paar Türen öffnen. Veiga hatte den Transfer des Jahrzehnts durchgepeitscht, Luis Figo
von Barça zu Real Madrid. Jörg Neblung beauftragte ihn als Zweitzwischenhändler.
Käme der Transfer zustande, könnten sich die Agenten mehr als eine halbe Million Euro Provision teilen. Veiga verschaffte
Neblung einen Termin bei Parera. Man habe Interesse an Enke, sagte der
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