Robert Enke
keine Rede
mehr, aber es war das lukrativste Angebot, das Robert Enke in seiner Karriere je erhalten hatte.
»Aber für das Geld muss ich Benfica nicht verraten, lieber spiele ich woanders für etwas weniger«, versuchte er sich einzureden.
In ihrem schwarzen Taschenkalender protokollierte Teresa in Stichpunkten die Schwankungen des Winters 2002.
5. Februar. Balou hat am Strand mit einem fremden Hund gekämpft. Robbi mir gegenüber gereizt.
10. Februar. Porto gegen Benfica. Bremen kommt zur Beobachtung. Spannend.
11. Februar. Kaiserslautern will ihn!
Es war die Zeit, als die Profivereine ihre Spielersuche vom Glück unabhängig machen wollten. Sie stellten Scouts ein, die von Buenos Aires bis Belgrad nach Talenten suchten, sie legten
detaillierte Computerdateien an, in denen auf Knopfdruck 16 rechte Verteidiger mit allen Details ihres Könnens erschienen.
Am Ende jedoch basierten viele Transfers noch immer eher auf Zufällen und persönlichen Kontakten als auf Rasterfahndung.
Werder Bremen beschäftigte zwei Scouts, Hune Fazlic, den besten Späher der Bundesliga, und Mirko Votava, der den Job wohl
vor allem bekommen hatte, weil er ein ehemaliger Werder-Spieler war. Nach Porto fuhr Votava. Benfica verlor 2:3. Votava analysierte
den beobachteten Torwart im Stil eines Stammtischonkels: |129| »Der Enke bekommt drei Schüsse drauf und drei Tore rein, was soll ich da sagen?«
Werder Bremen teilte Jörg Neblung mit, dass sie kein Interesse an einer Verpflichtung von Robert Enke hätten.
Vom 1. FC Kaiserslautern sah sich niemand ein Spiel von Enke an. Trainer Andreas Brehme telefonierte nur einmal mit Jupp Heynckes,
um dessen Urteil zu hören.
25. Februar. Robbi hat mit Brehme gesprochen. Jörg trifft sich mit Kaiserslauterns Vorstand. Hoffentlich geht alles gut.
In der Zwischenzeit kursierten in Lissabon ein paar Gerüchte. Robert Enke werde Benfica verlassen. Robert Enke werde zum FC Porto wechseln!
Er hatte nach seinen schlechten Erfahrungen beim Abgang in Mönchengladbach gehofft, seine Wechselabsichten bis zum Saisonende
geheim halten zu können.
»Ich weiß nicht, wie Leute, die ich nicht kenne, dazu kommen, im Fernsehen zu sagen, ich hätte für Porto unterschrieben. Das
ist einfach eine Lüge!«, sagte Robert Enke die halbe Wahrheit.
Fica Enke!
, riefen die Fans.
Fica Enke!
, wehte es im Wind, auf selbst gebastelten Bannern im
Licht
. Enke bleib! Ein Fernsehsender überreichte ihm ein halbes Dutzend Videokassetten. Sie waren voll von Botschaften der Fans.
Fica Enke!
Er war gerührt. Aber er musste doch weiter, höher hinaus.
Er lehnte Benficas Angebot ab, den Vertrag zu verlängern. Da kamen seine Umzugspläne auf die überraschendste und eindeutigste
Weise heraus.
4. März. Robbi wird aus dem Tor genommen. Moreira spielt.
Als die Sportreporter ihn ohne sportlichen Grund drei Monate vor Vertragsende auf einmal auf der Ersatzbank sitzen sahen,
war es ein Leichtes für sie zu kombinieren. Robert Enke musste eine Pressekonferenz geben. »Ich werde Benfica verlassen.«
Die Abendnachrichten des staatlichen Senders RTP berichteten.
Er würde in den verbleibenden neun Partien nicht mehr spielen, erklärte ihm der Trainer Jesualdo Ferreira.
|130| »Nachdem er gegen Gil Vicente einmal auf der Ersatzbank gesessen hatte, war er plötzlich für den Rest der Saison verletzt«,
sagt Moreira. »Mein Verdacht war, dass er sich die Verletzung nahm, um sich diese Demütigung zu ersparen, und ich wäre der
Letzte, der ihn nicht verstünde. Robert erlebte eine schwarze Epoche bei Benfica, eine Zeit, als es hier viele, viele Probleme
gab, und irgendwann reichte es ihm. Aber er war immer da, mir mit Rat und Zuspruch zu helfen, auch damals, als ich auf einmal
spielte.«
Teresa kann sich nicht erinnern, ob er tatsächlich eine Verletzung fingierte oder ernsthaft verletzt war, und das ist keine
Ausrede: Sie weiß es wirklich nicht mehr. Es schien damals nebensächlich.
11. März. Kaiserslautern hat Jörg abgesagt. Das Glück ist nicht auf unserer Seite. Wir warten auf die Sonne.
»Oh Gott!«, ruft Teresa und schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, als sie ihren Eintrag im Taschenkalender acht Jahre später noch einmal liest. »Da siehst du einmal,
wie wir damals vom Leben verwöhnt waren. Wenn wir das schon für die dunklen Momente hielten:
Kaiserslautern sagt ab
.«
Nachdem ihnen Jörg Neblung die schlechte Nachricht aus der Pfalz übermittelt hatte, fuhren sie mit
Weitere Kostenlose Bücher