Robert Enke
gewann der Klub unter Johan Cruyff zum ersten Mal die Champions League. Und ein Verein wurde gläubig. Dies war
der einzige Weg.
Der Alltag 2002 war weniger grandios. Luis Figo, der Barça personifizierte, dessen Dribblings eine Melodie hatten, war zwei
Jahre zuvor als teuerster Fußballer der Welt zu Real desertiert. Das Trauma verweilte. Präsident Joan Gaspart, ein Mann mit
hektischen Gesten und hüpfendem Herzen, versuchte, den Klub aktionistisch zu steuern. Ein neurotisches Umfeld war keine besondere
Hilfe.
Doch der Mythos Barças überstrahlte die Realität.
Jörg Neblung verließ das Büro von Sportdirektor Anton Parera am 28. Mai im Gefühl, sein Glück nicht für sich behalten zu können.
Dazu war es zu groß. Barça würde Robert Enke verpflichten.
Während sie wochenlang nichts von Barça gehört hatten, hatte sich der Klub gewissenhaft über ihn erkundigt. Barças Torwarttrainer
Frans Hoek sezierte Enkes Spiel auf Video. »Er hatte unglaubliche Reflexe«, sagt Hoek, »und das war kurios, denn gleichzeitig
war er nicht dieser typische muskelbepackte deutsche Torhütertyp wie Kahn, Köpke oder Schumacher, der fast nur auf der Torlinie
spielt. Wenn er so gewesen wäre, wäre er nicht für Barça infrage gekommen. Hier muss der Torwart mitspielen können.« Zur Sicherheit
rief Hoek noch einen Bekannten an, der sich in Portugal auskannte. »Ich sprach mit José Mourinho.«
Mourinho hatte einst bei Barça gelernt. Als Trainer des FC Porto hoffte er weiterhin, Enke zu verpflichten. Gleichzeitig lobte
er den Torwart im freundschaftlichen Gespräch mit Hoek so unverstellt ehrlich, dass Barça entschied, Enke dem FC Porto wegzuschnappen.
|136| Der Sportdirektor wurde sich mit Jörg Neblung gleich über das Gehalt einig. Der Geschäftsführer müsse noch auf den Vertrag
schauen, eine Formalie, er sei nur gerade in Madrid, aber er sollte am nächsten Tag wieder im Büro sein. »Dann könntest du
am Donnerstag nach Barcelona kommen und den Vertrag unterschreiben«, sagte Jörg am Telefon zu Robert.
»Nach Barcelona will ich eigentlich nicht«, sagte Teresa.
Ihre Stimme war ernst. Sie ist es noch heute, wenn sie darüber spricht.
»Jetzt hatten wir es nach drei Jahren gerade geschafft, fließend Portugiesisch zu sprechen, da erschien es mir abschreckend,
schon wieder in ein anderes Land zu gehen und von vorne anzufangen, wenn wir doch, dank des Angebots aus Porto, auch in Portugal
bleiben oder vielleicht nach Deutschland zurückgehen konnten.«
»Liebe Teresa, entschuldige bitte, aber da müssen wir dich mal kurz entmündigen«, sagte Jörg Neblung. »Wenn Barça ruft, muss
man zu Barça gehen.«
Am Tag danach telefonierte er noch einmal mit dem Sportdirektor. Der Vertrag sei aufgesetzt. Am besten komme Robert Enke gleich
morgen zur Unterschrift vorbei.
»Enke mit Barça einig«, meldete
A Bola
in Lissabon, und die Nachricht verbreitete sich rasch.
Eine Schweizer Privatbank rief Jörg Neblung an. Sie würden Robert Enke und ihm pauschal sechs Millionen Euro bezahlen. Dafür
sollten der Spieler und sein Agent ihnen alle Rechte überlassen, Handgeld, Provisionen und Gehalt von Barça gingen an die
Bank.
»Überlegen Sie es sich: Sie und der Spieler haben sechs Millionen garantiert und müssen sich um kein Vertragsdetail mehr kümmern,
die Verhandlungen mit Barça übernehmen wir.«
»Interessant«, sagte Jörg Neblung und dachte: Aber dann doch eher, um es später als Anekdote zu erzählen.
Der Präsident von Espanyol Daniel Sánchez Llibre, der Neblung die Flugtickets nach Barcelona gekauft hatte und nie mit ihm
verhandeln konnte, war wenig erfreut. »Ich habe die Schnauze voll. Wir machen hier gute Arbeit, unser Sportdirektor |137| hat Enke vor zwei Monaten entdeckt, und dann kommt dieser andere Verein und kopiert unsere Idee. Von Enkes Repräsentanten
fühle ich mich auf den Arm genommen.«
Teresa und Robert Enke landeten in Barcelona. Als handle es sich um eine Staatsvertretung, hingen vor Barças Geschäftsstelle
an stattlichen Masten die Fahnen des Klubs, der Stadt und des Landes; von Katalonien, nicht von Spanien. Im Vorzimmer des
Sportdirektors stutzte Jörg Neblung. Die Zwischenhändler waren nicht da.
Statt einer blonden Frau empfing sie nur ein dunkelhaariger junger Mann, der sorgfältig darauf achtete, sich alle drei Tage
zu rasieren. Gaby Schuster hatte nur ihren Assistenten Wim Vogel geschickt. José Veiga, der Zweitzwischenhändler,
Weitere Kostenlose Bücher