Robert Enke
er sich,
wie sollte er wissen, ob sie ihn oder nur seinen Status schätzten? Beim Versuch, sich denen zu entziehen, die nur die Nähe
eines Fußballers suchten, hatte er sich auch von allen anderen abgekapselt. »In Barcelona war es von Anfang an so anders«,
sagt Teresa.
Susanne, die junge Frau vom Konsulatsfest mit den direkten Fragen, nahm sie in den Reitstall mit. Als Moderne Fünfkämpferin
hatte Teresa ihre Jugend auf Pferderücken verbracht. Ohne dass sie merkten wie, ohne dass er Zeit fand, sich zu fragen, suchen
die nur die Nähe zu einem Fußballer, wurden Teresa und Robert im Reitstall Teil einer kleinen deutschen Kolonie. Sant Cugat
liegt in der Nähe der Deutschen Schule Barcelona, das bündelt die Deutschen, und das Gefühl, gemeinsam in der Fremde zu sein,
verband Leute, die in der Heimat nie zusammengefunden hätten, Sozialpädagogin, Verlagskaufmann, Tierheilpraktikerin und Fremdsprachenkorrespondentin.
Da war der Fußballtorwart des FC Barcelona beim Plausch am Reitplatz nur einer mehr in der Kolonie.
Immer wieder schaute Robert Enke zu einem der Pferde. Das Fell des Tiers war stumpf, die Augen leer. Es war alt, sicher fünfzehn
Jahre, und noch immer musste es für die Anfänger herhalten, die im Trab auf seinen Rücken plumpsten.
Er kaufte das Pferd.
Zwei Tage vor dem ersten Saisonspiel, in der Champions-League-Qualifikation gegen Legia Warschau, machte er sich vom Training
auf den Weg nach Sant Cugat, er nahm die Landstraße, um die zwei Euro für den Autobahntunnel vor Vallvidrera zu sparen. »Willst
du wissen, wer spielt?«, sagte er am Handy und wartete meine Antwort gar nicht ab. »Victor steht am Mittwoch im Tor.«
Er war irritiert. Victor Valdés war noch ein Junge, ohne die Erfahrung eines Erstligaspiels, athletisch alles andere als ausgereift.
»Victor schien – in jenem Augenblick – von allen drei Torhütern |150| das Spiel im Barça-System am besten umzusetzen«, sagt Hoek.
Gewöhnlich sehen Profisportler sich, sich und sich, viele glauben, das sei die Notwendigkeit eines Berufs, in dem es immer
um Verdrängen, Besiegen geht. Robert Enke zwang sich, die Entscheidung auch aus der Sicht des Trainers zu betrachten. »Es
ist sehr mutig von van Gaal, das muss man anerkennen« sagte er am Handy. »Er hätte es sich einfach machen können und Bonano
oder mich ins Tor stellen. Aber er entscheidet sich für einen unerfahrenen Nachwuchstorwart, das hat er sich sicher gut überlegt.«
So rational konnte er es allerdings nur sehen, wenn er mit anderen sprach. Zu Hause grübelte er. Warum Victor?
Nachmittags fuhr er mit Teresa in die Stadt. Sie mussten noch Möbel für das Haus kaufen. Es war August, wenn in Spanien nicht
einzelne Geschäfte, sondern praktisch ganze Städte wegen Ferien geschlossen haben. Mit zunehmendem Zorn gingen sie von einem
geschlossenen Einrichtungsgeschäft zum nächsten. Nur in der Zeit, die ein kurzer Gedanke braucht, war Teresa froh: Vor lauter
Ärger über die Möbelgeschäfte vergaß Robert, über den Fußball zu brüten.
Teresa ging ins Stadion, auch wenn Robert nur auf der Ersatzbank saß. Sie fand die Haupttribünen des Profifußballs mit den
gegelten Männern und tiefgekühlten Frauen faszinierend, sie nahm sich mit den Klischees einer Fußballerfrau gerne selbst auf
den Arm, »die zwei Euro für den Autobahntunnel brauchst du nicht sparen, Robbi, deine Frau gibt das Geld sowieso aus«. Sie
hatte überall ein, zwei nette Bekannte unter den anderen Fußballerfrauen gefunden. Sie musste sich nur anstrengen, dann würde
sie auch im Camp Nou Anschluss finden. Sie fragte eine der Frauen, ob sie nach dem Spiel noch ausgingen. Natürlich, sagte
die Frau und fragte nicht nach, ob Teresa mitkommen wollte.
Auf der Tribüne des Camp Nou benahmen sich die Frauen, als seien sie die Fußballmannschaft, in harter Konkurrenz um die Starrollen
im Team. Sie war nur die Frau des Ersatztorwarts.
Unten auf dem Rasen offenbarte Victor Valdés in seinen ersten |151| Einsätzen alles; sein immenses Talent wie die Übermotivation eines Berufsanfängers. Gegen Warschau stellte er sich beherzt
dem durchgebrochenen Cesary Kucharski entgegen. Zum Saisonauftakt der spanischen Liga gegen Atlético Madrid rannte er überstürzt
aus dem Tor und unter einer verunglückten Flanke hindurch, die Flanke landete im Tor.
Robert Enke kamen ein paar Gerüchte zu Ohren. Valdés werde bevorzugt, weil er Katalane sei. Van Gaal habe einen
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