Robert Enke
Begründung, er weiß nicht recht, »wenn du als Torhüter bei einem Klub wie Barça konkurrierst, ist immer
etwas zwischen dir und den anderen Torhütern.« Im Mannschaftsbus schwiegen Bonano und Enke. Einige Spieler hörten Musik über
Kopfhörer. Robert Enke besaß keinen CD-Player. Wenn einem nach Musik war, konnte man doch Radio hören. Aber nun war es still
im Bus, sie sollten sich konzentrieren, fand der Trainer. Auf der Landstraße zogen Dörfer vorbei, die Tres Hermanas heißen,
Drei Schwestern, dahinter Berge, schroff und gelb, als befänden sie sich auf dem Weg in Don Quijotes Reich.
Der Bus war klimatisiert. Ihm war heiß. Er trug das kurzärmlige Poloshirt mit Barças Emblem über dem Herzen.
Er konnte nur verlieren.
Woran er auch zu denken versuchte, um sich abzulenken, er landete doch wieder bei diesem Gedanken.
Wenn alles wie erwartet lief, siegte Barça 3:0 oder 4:0, und niemand redete vom Torwart. Wenn es schiefging, war er der Schuldige.
Es war eine absurde Sichtweise, hatte ihm Jörg am Telefon gesagt. In Wirklichkeit war das Spiel eine Chance. Er könnte einen
souveränen Auftritt hinlegen, und natürlich würde niemand sofort danach sagen, Enke muss jetzt ins Tor, nur weil er in einem
Pokalspiel bei einem Drittligisten einen sauberen Eindruck hinterließ. Aber die Trainer würden sehen, er war da. Victor Valdés,
der diesmal zu Hause geblieben war, würde in den nächsten Wochen in den Ligaspielen weiter wacklig agieren, |155| da war Jörg sich sicher, Victor war noch nicht so weit, und irgendwann würde Roberts Tag dann kommen. Novelda war der erste
Schritt.
Aber so oft sich Robert Enke dies auch sagte – es gelang ihm nicht, es so zu sehen.
Er konnte nur verlieren.
»Seit er vor dem ersten Spieltag von der Nachricht überrascht wurde, Valdés ist die Nummer eins, war er negativ gestimmt«,
sagt Jörg Neblung. »Er steigerte sich in den Glauben hinein, alles liefe gegen ihn.«
Aus kleinen Fragen waren Selbstzweifel geworden, und nun, unter dem Druck des nahenden Spiels, verwandelten sie sich in eine
Angst, die nichts mehr mit der normalen Furcht eines Torwarts zu tun hatte. Diese Angst war dunkler.
Wenn er hier patzte, hatte er seine Chance verpasst. Dann war es vorbei.
Hoek, der Torwarttrainer, wollte sowieso Victor im Tor sehen, Hoek hatte Victor schon in Barças Jugendmannschaften trainiert,
Hoek wollte sagen können, diesen Torwart habe ich gemacht, alle Torwarttrainer träumen davon, ihren Keeper zu entdecken.
Mein Gott, diese verdammte trockene Luft im Bus.
Der Mannschaftsbus verlangsamte die Fahrt. Robert Enke sah eine Menschenmenge auf der Straße, die Leute winkten und schrien.
Sie mussten am Stadion sein. Die Leute hinter den Absperrungen strahlten Robert Enke an, als er aus dem Bus stieg. Seine Lippen
waren ein schmaler Strich im Gesicht.
Das Radio lief in der Umkleidekabine des FC Novelda. Die Tür stand offen. Bekannte streckten den Kopf hinein, um viel Glück
zu wünschen. Madrigal, der versucht hatte, Mittagsschlaf zu halten und nur wachgelegen war, hörte den Lärm der Tribüne durch
die Mauern. »Es klang, als würde über uns eine Demonstration stattfinden.«
In seinen Haaren zeigte sich bereits ein grauer Schimmer. Er war 26, in den besten Jahren seiner Fußballkarriere. Er hatte
sich in der Dritten Liga etabliert. Das Spiel gab ihm genug zum |156| Leben, 2000 Euro netto im Monat, er rechnete noch in Peseten, vier Millionen im Jahr. Mit zwei anderen Spielern teilte er
sich eine Wohnung an der Avenida de Elche in Novelda. Was er gerne tat, war lernen. Nebenbei hatte er die Lehramtsprüfung
absolviert. Aber sie waren Profis in Novelda, »wir trainierten wie jeder Erstligist auch«, auf dem letzten Tabellenplatz waren
sie nur wegen Barça gelandet, glaubte er: In Gedanken schon beim Pokalspiel, hatten sie sonntags zuvor 0:3 gegen Burgos verloren.
»Für Profis wie uns gibt es solch eine Partie nur einmal im Leben.«
Sie hatten sich umgezogen, in der Kabine roch es nach Massageöl, sie waren gierig, hinauszugehen und sich aufzuwärmen. Sie
mussten noch die Taktikbesprechung über sich ergehen lassen. Ihr Trainer Antoni Teixido schrieb ihnen an die Filzstifttafel,
wer wen bei Barças Eckbällen zu decken hätte, sagte, dieses Spiel sei eine Belohnung für die Anstrengungen des Vorjahres,
der schönste Tag ihrer Karriere, sie sollten ihn genießen, spielen wie immer und niemanden verletzen. Die gesamte Ansprache
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