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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Kabinentunnel zu Robert und fragte, ob er nach dem Spiel mit ihm das Trikot tauschen könnte. Jaja,
     sagte Robert Enke.
    Die Halbzeitpause teilte das Spiel nicht. Es lief einfach weiter, eine endlose Wiederholung von Barça-Pässen, und wenige störten
     sich daran, dass die Pässe steril blieben. Torchancen erzwang Barça kaum, die Leute glaubten: Sie kontrollieren das Spiel.
     Auf den Pressestühlen schrieben die Sportreporter gegen den Redaktionsschluss an, »in der ersten Halbzeit wurde Novelda richtig
     gebadet«, tippte Cayetano Ros von
El País
in seinen Laptop: »Barça glaubte, der Gegner habe aufgegeben: Sie hatten ihn eine |161| Stunde lang hinter dem Ball herlaufen lassen.« Jene Stunde war fast voll, als Novelda einen Freistoß auf dem linken Flügel
     zugesprochen bekam. Miguel Ángel Mullor, einer der zwei Mitbewohner aus Madrigals Wohngemeinschaft, trat den Ball, zunächst
     sah es so aus, als würde er in einer Bogenlampe im Strafraum landen.
    Er musste raus aus seinem Tor, die Flanke abfangen, aber der Ball senkte sich, die Flanke wurde immer flacher, direkt im verdammten
     Funzellicht. Er zögerte. Auf Höhe des zweiten Pfostens war ein Gegner völlig frei, er sah die weiße Hose aus den Augenwinkeln,
     peripheres Sehen, unterbewusste Wahrnehmung, eine seiner großen Stärken, er musste schreien,
hostia, allí, el delantero! ,
irgendetwas, damit seine Abwehr auf den frei stehenden Mann aufmerksam wurde. Aber er konnte nicht.
    Schweigend, gelähmt blieb er auf der Torlinie.
    Der Ball flog, als suche er Madrigals rechten Fuß.
    Michael Reiziger, niederländischer Nationalspieler, Madrigals Bewacher, hatte den Stürmer laufen lassen. Madrigal schoss den
     Ball mit der ersten Berührung, mit vollem Risiko auf das Tor, diagonal, ins entfernte Toreck von Enke. Es stand 1:1.
    »Wir gewinnen das, wir gewinnen das!«, schrien die Mitspieler, als sie über Madrigal herfielen.
    »Wir und gegen Barça gewinnen?«, fragte er sich.
    Robert Enke stand wie eingefroren vor seinem Tor.
    Ein Tor schafft, was Menschen so gerne könnten: alles auf einen Schlag zu verändern.
    58 Minuten hatte sich Madrigal zwischen Barças Verteidigern aufgerieben. Der eine, Reiziger, »lief superschnell jeden Ball
     ab«. Der nächste, Frank de Boer, Weltmeisterschaftshalbfinalist mit den Niederlanden, Barças Kapitän an diesem Abend, hatte
     »eine ausgezeichnete Technik«. Der dritte, Fernando Navarro, sechs Jahre später Europameister mit Spanien, eilte seinen Kollegen
     bei der kleinsten Bedrängnis geschickt als Verstärkung zu Hilfe. Auf einmal jedoch »machte Reiziger nicht mehr dicht, Navarro
     war nervös, und Frank de Boer begann, alle und jeden zu kritisieren. Er war nicht mehr im Spiel.« Madrigal vergaß die Bedeutung
     der Partie, den |162| Lärm, den Gegner. Es existierte nur noch der Ball, das Spielfeld, das Tor.
    Wenn Barça angriff, wenn der Ball weit weg war, wurde es für Robert Enke schlimm. Er hatte zu viel Zeit, an das Tor zum 1:1
     zu denken. Es war Reizigers Fehler gewesen, aber warum war er nicht herausgekommen, natürlich hätte er herauskommen und den
     Ball abfangen müssen. Ein Schuss flog auf sein Tor, und er war nicht darauf vorbereitet. Er riss sich aus seiner Verzweiflung,
     er riss instinktiv die Hände hoch, ohne sich entschieden zu haben, was er tun sollte. Er klatschte den Ball kläglich in die
     Mitte des Strafraums ab. Es entstand kein Schaden daraus. Aber jeder sah, wie es um ihn stand.
    Schon wieder schlug Novelda einen Freistoß hoch in seinen Strafraum, abgewehrt, aber zu kurz, 20 Meter vor dem Tor stocherten
     Freund und Gegner nach dem Ball. Als Rochemback den Ball endlich unter Kontrolle zu haben schien, rückte Barças Abwehr sofort
     raus. Madrigal spürte mehr, als dass er es sah, dass sein Mitbewohner Mullor den Ball noch zurückgewinnen könnte. Tatsächlich.
     Ansatzlos schlug Mullor eine Flanke, und während Barças Abwehr noch in der Vorwärtsbewegung abbremste, rannte Madrigal bereits
     Barças Tor entgegen. Er hatte nur einen Wimpernschlag Vorsprung. Schon jagte de Boer ihm hinterher, aber er war kein schneller
     Verteidiger wie Reiziger. Der Ball war in der Luft, Robert Enke im Niemandsland eines Torwarts gestrandet, er wusste, herauslaufen
     machte keinen Sinn mehr, Madrigal würde auf jeden Fall vor ihm am Ball sein. Und schon schoss er ihn aus zwölf Metern ins
     Tor zum 2:1.
    »Ich fühlte nicht: Jetzt bist du berühmt, oder: Jetzt hast du es geschafft«, sagt Madrigal.

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