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Robina Krux

Robina Krux

Titel: Robina Krux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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mittlerweile das Kästchen mit den dünnen Pflanzen nannte.
    Es keimten fast alle Samen. Noch ließ sich nicht unterscheiden, jedenfalls nicht von ihr, wozu sich die Gewächse entwickeln würden. Robina empfand Stolz über ihren Erfolg nun auch in der Botanik, nachdem sie die Technik – die S-Melodie durcheilte nach wie vor den Raum – so erstaunlich gemeistert hatte. Nur an ihre Schriftstellerei dachte sie mit einigem Bangen.
    Sie hatte einen Sauerstoffbehälter so aufgestellt, dass der Strahl aus dem wenig geöffneten Ventil wie ein Hauch weich über die Pflanzen strich. Das sollte die Stängelchen kräftigen. Eine Lampe spendete 12 Stunden lang gedämpfte Helle.
    Robina hatte eine Gießeinrichtung gebaut, um Regen vorzutäuschen. Und ohne Bedauern opferte sie täglich so viel Wasser, wie sie es für das Gedeihen der Pflanzen als notwendig erachtete.
    Sie konnte stundenlang vor der Schale stehen und eigentlich – nichts denken. Sie schaute mit einer ruhigen Freude, und sie empfand, als schwände mit jedem neuen Blatt, das sich entfaltete, mit jedem Zentimeter, den die Stängel in die Höhe trieben, ein Stück der schrecklichen Einsamkeit, die sie erst jetzt, nachdem sie sich scheinbar lockerte, so drückend deutlich spürte.
    Noch nie hatte Robina so aufmerksam eine Pflanze betrachtet. Sie entdeckte die kleinen Härchen, Äderchen, achtete auf jede Farbnuance, und wurde traurig, als die Keimblätter eines Tages welkten und abfielen – bis sie meinte, dass das wohl so sein musste.
    Robina stellte fest: In den Lehrplänen der EVO klafften gewaltige Lücken. Die jungen Menschen wussten nur wenig von der Großartigkeit des Lebens, niemand teilte ihnen etwas von dem Wunderbaren mit, das es barg; nur das Funktionelle galt. Und Robina wusste, wäre sie nicht auf diesen Kristallscherben verschlagen worden, dieses Wunder hätte sie nie empfunden. Denn um es zu begreifen, reichte wiederum das angelernte Funktionelle nicht aus. Was nützte es schon, zu wissen, dass die DNS-Spiralen das Programm bildeten, nach dem eben auf dem Blatt Härchen wachsen, sich dort der Stängel zu einem Knoten verdickt oder die spillrige Pflanze ganz rechts im Kasten als erste und gerade an dieser Stelle zu Robinas Begeisterung eine Knospe ansetzte.
    Und was besagte es schon, dass Etliches steuerbar wurde und dass die Molekularbiologen sicher bereits neue Überraschungen zu bieten haben mochten. Gut, der Krebs ist gebannt, einige Geisteskrankheiten sind heilbar, es ist möglich, Hände und Füße zu regenerieren, Eds Wirbel und einige Organe. Pflanzen nehmen den Stickstoff aus der Luft, Nutztiere können jede beliebige Größe annehmen, wenn man es will. Schön. Ein ungeheurer Sprung für die Menschheit. Früher soll es Leute, Wissenschaftler, gegeben haben, die predigten, die Menschheit werde sich zum Hungertod fortentwickeln, dass Kriege notwendig seien für eine natürliche Reduzierung. Gefährliche arme Irre.
    Eben: Das Funktionelle ist erkannt, ein weites Betätigungsfeld. Nur die Frage, die kleine Frage: Warum geschieht das alles so? ist nicht beantwortet; es geschieht eben als eine Existenzform der Materie. Früher schien das einfach. Dem Mysterium Gott wurde alles Unerklärbare zugeschoben, Gott in unzähligen Variationen. ‘Irgendwie’, so dachte Robina, ‘hatten die Menschen es damit leichter. Gott war das Gleis, auf das die Züge, beladen mit Fragen, abgeschoben wurden.’
    Manchmal spann, verstrickt in diese Fragen, Robina Seltsames: ‘Wie, wenn nur eine Lebensform existierte, ein Energiebündel, ein Knäuel aller Wellenformen ineinander moduliert, genauso zufällig entstanden wie Koazervate. Und diese Modulare bauten die Ketten, die sie am besten die Umwelt und die Zeit überdauern ließen, sodass Ameise und Fisch, Eiche und Mensch und die Anderen nur Anpassungsformen dieser Modulare an verschiedene Umweltbedingungen wären?’
    Stets, wenn Robina diesen Punkt ihrer Betrachtungen erreicht hatte, ihn ausspinnen, von allen Seiten beleuchten wollte, wachte sie auf aus ihrem Meditieren, und stets gelang es ihr, dieses absurde Denken abzuschütteln und nüchtern einzuschätzen, dass sie spann. Aber trotzdem blieb sie bei ihrer Meinung, dass das Großartige, das in jeder Zelle schlummerte, längst nicht von allen Menschen empfunden wurde, und sie fand das jammerschade. Und mehr als einmal dachte sie, dass sie Gelegenheit nehmen würde, es vielen, es allen zu sagen.
    In ihrer Ohnmacht beschloss sie, ein Kapitel ihrer Stele diesem

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