Robina Krux
aber flohen ihre Gedanken zur Erde, klammerten sich an freudige Ereignisse, ja sie begann, banale Erlebnisse zu glorifizieren, ihnen Bedeutung beizumessen. Unausbleibliche Vergleiche mit dem Leben auf der Erde ließen Wehmut aufkeimen.
Und als sie bereits mutlos über ihrem Apparat saß, wurde ihr plötzlich mit Schrecken bewusst, so als hätte sie, hingegeben in wohliger Wärme, ein mächtiger Schwall eisigen Wassers getroffen, dass sich in drei Wochen der Tag jährte, an dem sie die Neutralisation der REAKTOM an die Wand geschleudert hatte, der Tag, an dem das Raumschiff samt Besatzung, einschließlich Robina Crux, unterging.
Diese Tatsache traf sie so niederschmetternd, dass sie ihre Tätigkeit in der Kuppel aufgab, gerade noch die ursprüngliche S-Melodie wieder in Funktion setzte und zur Grotte zurückkehrte.
Sie saß tatenlos herum, begann dann aufzuräumen, ordnete hier und da etwas, bis ihr Mandys Beutel mit der trockenen Erde und den Samenkörnern in die Hände fiel. Seit diesem Augenblick stachelte sie ein unbändiger Wunsch, einer, der aus ihr plötzlich eine andere Robina machte, den sie sich unbedingt bis zum Jahrestag erfüllen wollte: Die Samen, von denen sie nicht wusste, zu welchen Pflanzen sie gehörten, sollten sich entfalten, hier in ihrer winzigen Kajüte, sollten zu prächtigen Blüten und saftigem Grün werden.
Und je mehr sie daran dachte, desto mehr wunderte sie sich, nicht eher darauf gekommen zu sein.
Mit einer Begeisterung und Geduld, die sie vor Stunden noch ganz und gar verlassen hatten, erfüllte sich Robina diesen Wunsch. Sie baute eine Schale aus Plasten und mischte die Erde mit Kristallsplittern, von denen sie annahm, dass sich ihre Mineralsubstanz im Wasser nicht lösen würde. Dann steckte sie die Samen, sieben verschiedene Sorten, abwechselnd in Serie. Drei solcher Folgen brachte sie zu Stande, mehr Platz bot ihre Anbaufläche nicht.
Als Robina ihr Beet angoss, dachte sie nur einen Augenblick daran, dass die Erfüllung dieses Jubiläumswunsches sie etliche Tage ihres Lebens kosten würde, denn die Pflanzen würden ständig Wasser verbrauchen; ohne Wehmut dachte Robina das.
In den folgenden Tagen knobelte Robina an einer neuen Lösung des Hackers mit nur einer größeren Programmscheibe, die allerdings langsamer laufen musste und deshalb einer Untersetzung bedurfte.
Obwohl diese Tätigkeit sie fesselte, glitten Gedanken und Blicke dann, wenn etwas Handwerkliches weniger Konzentration erforderte, zur Schale. Und am dritten Tag fühlte sie sich versucht, ein Korn auszugeben und nachzusehen, ob es schon keime. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten; Ausschlag gab die Furcht, etwas zu zerstören.
Schon wollte sich Robina Traurigkeit darüber bemächtigen, dass der Samen offenbar taub geworden sei, als sich nach fünf Tagen einige Erdkörner anhoben und unter sich gebogene hellgrüne Winzlinge ahnen ließen. Vorsichtig, so als stochere sie in Nitroglyzerin, entfernte sie mit einer Pinzette die Krümel.
Obwohl sie damit gerechnet hatte, natürlich, dass aus Samen Keimlinge sprießen, Pflanzen wuchsen, fühlte sie sich angerührt wie selten.
Sie stand vor der Schale, sah auf das zerbrechliche, zarte, fadenscheinige Etwas, das krumm einen Millimeter über die braune Erde ragte.
Robina fühlte, wie ihr Wasser in die Augen stieg, wie es überquoll, die Wangen hinunterrollte, auf die Brust tropfte. Sie ließ es gewähren, nichts in ihr sperrte sich gegen diese Tränen; sie fühlte, begriff, dass etwas Großartiges geschah.
Trotz beinahe zwei Parsec Wegstrecke, trotz trockener Erde, ungeachtet des Aufpralls auf der Wand, des lebensfeindlichen Raumes und der toten Pracht ringsum nahm hier etwas, einige Hähnchen zunächst, seine Chance, seine Lebenschance wahr. Und Robina gedachte des Wunderbaren, das sich da vollzog, stellte sich vor, wie es aus den grauen, schwarzen und braunen, auf jeden Fall unscheinbaren kleinen Körnchen, befohlen von den DNS-Spiralen, jetzt zum Licht drängte. Stattliche, vielleicht prächtig blühende, aber bestimmt schöne, wunderschöne Pflanzen würden sich entfalten. Und erst da wurde Robina wirklich klar, glockenklar, nach fast einem Jahr der Höhen und Tiefen, des Schwankens zwischen Verzweiflung und stets angekränkelter Hoffnung, dass sie das Geschenk, das ihr zuteil geworden, ihr Leben, zu achten und mit allen Mitteln zu erhalten habe. Kein Mensch hatte das Recht, es leichtfertig wegzuwerfen, und auf sie, Robina Crux, traf das in
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