Robina Krux
Thema zu widmen, selbst auf die Gefahr hin, dass die Anderen – aus Unverständnis – in Verwirrung gerieten. Aber später, wenn der Kontakt hergestellt sein würde, erführen es die Menschen. Die Nachricht würde mit 1000 Kommentaren über alle Kontinente über die Videoschirme flimmern, jeder hätte dafür Interesse, und Etliche würden vielleicht das verstehen, was ihr hier in der Schwärze des Alls aufging.
Und abermals spürte Robina die Größe ihrer Mission und die Schwere ihrer Verantwortung.
Sie ahnte, dass sie in der Welt der Teamarbeit, der gemeinsamen Leistung, eine Art Anachronismus sein, dass sie zur Heldin, zum Idol gemacht werden könnte, allein aus der Tatsache ihres Überlebens heraus. Diese Erkenntnis bedrückte sie ein wenig. Sie begann, jeden Buchstaben, den sie brannte, gedanklich hin und her zu wenden, wie früher Geizkragen jeden Cent, bevor sie ihn ausgaben…
Einige Tage später stand eine junge Frau unbekleidet, so wie sie an diesem Morgen vom Lager aufgestiegen war, vor einer grauen Schale. Sie stand unter dem Tageslichtstrahler, dessen Schein das wirre lange Haar mit einer Aureole umgab, stand zwischen nüchternen, funktionellen Gerätschaften und Behältern und Armaturen in einer Kammer, deren orangefarbene Plastwände von einem großen Menschen zu berühren gewesen wären, wenn er die Arme spreizte. Auf ihrem Gesicht lag ein eingefrorenes, ein wenig einfältiges Lächeln, und sie starrte auf ein bizarres Gebilde aus zartem organischem Gewebe, ein Krönchen, bläulichweiß geflammt, mit Zacken und gebogenen Spitzen.
Robina Crux starrte lange. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange. Dann berührte sie mit den Fingerkuppen unendlich vorsichtig dieses Gebilde und stipste zart auf die Zacken, hob das bläuliche Narrenkäppchen an, warf einen Blick hinein in ein fadiges Bündel mit gelben Knöllchen.
Die erste Blüte hatte sich über Nacht entfaltet. Wie sie hieß, wusste Robina nicht. Niemand hatte sie so etwas gelehrt, und selbst hatte sie für solche am Rande des Nützlichen liegenden Dinge wenig Interesse gezeigt, ja, nie eine derartige Blüte bewusst gesehen. Freilich, sie hatte oft Gefallen gefunden an einem bunten Wiesenstrauß, den sie auf den wenigen Ausflügen selten genug pflückten, denn die Wiesen, wo man Blumen abzupfen durfte, wurden selten. Nie hatte Robina das Verlangen gespürt, einzelne dieser Blüten genauer zu betrachten. Ein solcher Strauß war schön, weil er schmückte.
Aber das hier sah sie anders! Ein Gefährte war da herangewachsen, der gleich ihr unter künstlichem Luftdruck Wasser und Wärme aufnahm, der den engen Raum mit ihr teilte, mit ihr lebte. Robina bog liebkosend das zarte Gewächs, ließ es zurückschnellen. Die Blüte berührte ihre Haut, die Brust. Dann wiegte die Frau den Oberkörper und erschauerte im Schmeicheln der feingliedrigen Blättchen.
Einige Minuten spielte Robina. Dann plötzlich sah sie sich um, als könnte sich im Augenblick die Luke öffnen und jemand sie überraschen.
Erst jetzt gewahrte Robina ihre Nacktheit. Sie genierte sich, trat vom Blumenkasten zurück. Scham und Rechtfertigung stritten in ihr. Sie fühlte, wie ihr das Blut zu Kopfe stieg und gleichzeitig, vom Oberkörper ausgehend, eine Gänsehaut über den Leib prickelte. Schließlich fand sie es albern, sich zu genieren, ihre sentimentale harmlose Spielerei nicht der Rede wert, und im Vorsatz, nun etwas Vernünftiges tun zu wollen, sagte sie ganz laut: „Ich glaube, Robi, du wirst verrückt!“ Sie lächelte, hauchte einen Kuss auf die Blüte, flüsterte „entschuldige“ und zog sich rasch an.
13
Robina hatte einen Entschluss gefasst, angeblich ihrer Aufgabe zuliebe. Die Schrift auf der Kristallfläche sollte noch exakter werden, sie selbst wollte sich mehr Zeit nehmen für die geistige Vorbereitung. Der Birne sollte für sie in die Wand. Er musste es lernen!
In Wahrheit, so ahnte Robina, war es der Drang in ihr, sich mit diesem Pseudowesen zu messen, einen wehrhaften Partner herauszufordern, ihn sich womöglich zu unterwerfen. Und letztlich war es wohl die Sehnsucht nach einem Gefährten… Aber das gestand sich Robina nicht ein. Schließlich versprachen die Gründe, aus denen heraus sie den Birne wecken wollte, in der Tat viele echte Vorteile.
Robina hatte keinen Plan. Sie wollte die Reaktion des Roboters abwarten und sich intuitiv darauf einstellen. Und ging heute etwas schief, morgen war noch ein Tag, was schadete es also. Etwa 30 mal 365 Tage
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