Robinas Stunde null
Frau und streckte wohlig
die Arme.
,Wer hätte gedacht, dass Kaline so schnell den Geist aufgibt.’
Natürlich wusste Sophie, dass man den Zeitpunkt, zu dem die
zweite Sonne verlöschen würde, sehr wohl vorausberechnet
hatte. Aber ihr gelbes Licht war so wohltuend gewesen, leitete
nach der düster rötlichen Infras stets einen frohen Marstag ein,
sodass Sophie die unlogischen, optimistischen Zweifel, die
Sonnenmacher mögen sich verrechnet haben, hoffen ließen,
bis… Sie erinnerte sich, wie die Mannschaft tagelang mit
Leichenbittermienen herumschlich, als die kleine Sonne fast
stündlich dunkler und die Möglichkeit, sie mit neuem
Brennstoff zu versorgen, immer unwahrscheinlicher wurde.
Ein partieller Weltuntergang, ein kleines Sterben, Verlust von
jahrzehntelang Geschaffenem.
Sophie stützte sich auf die Ellenbogen. Sunnyboy schickte
sich an, ihr zur Rechten in die Ebene einzutauchen, während
sich gegenüber der Himmel über den Bergen fahlgrün
verfärbte. ,Mittlerweile sind noch vier von sieben dieser
Sonnen übrig – und was ist passiert? Im Grunde nichts. Der
Tagesverlauf hat sich geändert, das Wachstum verlangsamt,
durch den zunehmenden Treibhauseffekt kam es noch nicht
einmal zu einer messbaren Abkühlung. Aber wenn Sunnyboy
auch… Drei Jahre geben sie ihm noch. Wenn wir bis dahin
noch immer nicht wieder in der Lage sind, ihn zu reaktivieren,
wird’s problematisch werden.’
Sophie verzog die Mundwinkel. Ihr rundes Gesicht wirkte
dadurch eher verschmitzt als besorgt.
,Drei Jahre’, dachte sie. ,Man hat ja gesehen, was in drei
Jahren passieren kann.’ Sophie liftete mit dem Unterarm die
Brust, um weißen Malen vorzubeugen. Sie blickte zur alten
Sonne, die wie hinter einem rötlichen Schleier aus Millionen
verwirrter Spinnenfäden klein und matt, noch überstrahlt von
Sunnyboy, fast im Zenit stand. ,Wenn nur du allein wieder
übrig bleibst, werden die Menschen in ferner Zukunft wieder
vom Roten Planeten sprechen, wenn sie den Mars meinen. Er
war auf dem besten Weg zum Grünen.’
„Ah, hier steckst du!“ Eine dunkle Männerstimme, gedämpft,
wohl in der Absicht, nicht zu erschrecken.
Sophie richtete sich auf. In ihrer Körpermitte bildeten sich
Wülstchen. „Leo, hallo“, sagte sie. Ihre Verwunderung über
das Auftauchen des Kollegen hielt sich in Grenzen.
,Könnte als Bauchtänzerin gehen’, dachte der mit
Leo
Angesprochene, ein schlaksiger Dreißigjähriger mit schmalem
Gesicht, Hakennase und Stoppelfrisur. „Lucie hat dich gesucht.
Es ist wohl etwas mit dem Teleskopgetriebe.“
Sophie pustete eine blaue Strähne vom linken Auge. „Sorgen
hat die Lucie“, sagte sie künstlich verwundert. Sie wurstelte
das etwas widerborstige Haar in den silbernen Dutt.
„Mach’s lieber gleich. Du weißt, dass sie schnell ungeduldig
wird, wenn’s nicht spurt.“
„Ja, ja.“ Ein wenig Ärger schwang mit. Sophie stülpte sich
das Hängekleid über, griff den Sauerstoffspender, setzte die
Halbmaske jedoch nicht auf. Sie erhob sich träge, fasste die
Decke an einem Zipfel, zog sie von der Moosbank und warf sie
sich über die Schulter. „Da gehen wir eben“, sagte sie ergeben.
„Es wird ohnehin gleich kühl.“ Sie blickte hinüber zu den
Bergen, über die die schmale grüne Sichel Nymphes lugte. –
2
Es stimmte schon, wenn Lucie Blackhill – immerhin hatte sie
im Observatorium das Sagen – sich etwas in den Kopf setzt,
sollte es schon, um Ärger abzuwenden, möglichst sofort
erledigt werden. Sie war die Jüngste der vierköpfigen
Mannschaft, fachlich kompetent, und sie bewies
Durchsetzungsvermögen und Gespür. Längst waren nach den
zurückliegenden katastrophalen Ereignissen Defätismus,
Mutlosigkeit und damit Schlendrian auch in einige der
Marsstationen eingekehrt. Jedoch nicht so bei Lucie. Und im
Grunde war ihr jeder in dem kleinen Team dankbar, dass sie in
aller Freundschaft ein Regime aufrecht erhielt, als sei nichts
geschehen, wenngleich der Alltag mehr und mehr Defizite
spüren ließ. Längst aber, und das war Lucies Maxime, gab es
keinerlei Grund, sich gehen zu lassen oder gar zu verzweifeln.
Es hieß lediglich, sich ein wenig einzuschränken, Ansprüche
zurückzufahren und im Übrigen zuzupacken, um aus dem
Schlamassel wieder heraus zu kommen. Gut, die Menschheit
hatte sich dezimiert, stark dezimiert bis beinahe zum Exitus,
aber untergegangen ist sie nicht. Grund genug, so Lucie, einen
zweiten, besseren Versuch zu wagen. Jawohl!
Oberflächlich gingen abermals solche
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