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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Gedanken durch
Sophies Kopf, wie öfter, wenn Lucies Aufbegehren gegen die
Lethargie wieder einmal offenkundig wird. „Was gibt es zum
Abendbrot?“, fragte sie und schlug den Weg zur Kuppel ein,
die in etwa 100 Meter Entfernung inmitten eines Grüngürtels
aus der Ebene ragte.
    Leo Tschernikow, von Haus aus Elektroniker und „Mädchen
für alles“, erfreute sich im Team allgemeiner Beliebtheit, nicht
nur, weil er abwechslungsreich und schmackhaft aus den
eintönigen, nicht gerade vielfältigen Zutaten zu kochen
verstand, sondern recht professionell Gitarre spielte, angenehm
sang und sogar komponierte.
    „Grünschwein mit Röstwurzel.“
„Schon wieder?“, fragte Sophie obenhin zurück. Sie aß das
zarte kalorienarme Fleisch dieser Wildlinge gern, und dass
dieses in der letzten Zeit häufiger auf dem Speiseplan stand,
störte sie im Grunde nicht. Was ihr daran nicht so behagte:
Dass diese possierlichen, zutraulichen Tiere zum Verzehr
abgeschlachtet wurden, für Sophie heutigentags ein Rückfall
ins Archaikum. Nun gut, die Population musste kurz gehalten
werden. Aber was schon konnten die armen Tiere dafür, dass
den Marsianern die Züchtung außer Kontrolle geriet? ,Erst sind
die Macher wie Helden gefeiert worden, als die Verquickung
Flora-Fauna gelang, und jetzt können wir sehen, wie wir mit
den Viechern fertig werden.’
„Du weißt, solange der Nachschub von der Erde weiter so
spärlich sein wird, muss ich mich mehr auf Einheimisches
besinnen. Ich denke, du magst es?“
„Freilich, wenn du kochst!“ Sie lächelte und zog die Luke zur
Schleuse auf. „Aber wenn Sunnyboy auch noch verlischt, ist es
aus. Keine Assimilation, kein Grünschwein.“
„Ah, die stellen sich um. Sie naschen dann eben nicht mehr
nur die Knospen, sondern putzen die Pflanzungen weg.“
„Na, bravo. Tschüss! Und welche Pflanzungen meinst du?
Gedeihen sie ohne Licht?“ Sie stieg leichtfüßig die wenigen
Stufen zum Wohntrakt empor, während Leo den Weg zu den
Wirtschaftsräumen einschlug. –
3
    Eilig, zu Lucie zu kommen, hatte es Sophie trotz Leos Geunke
nicht. Sie löste das Haar, ordnete die blaue Strähne sorgfältig
ins Silberne ein, wohl bewusst, dass es Lucie, die auf ihr
Äußeres kaum Wert legte, gewiss ins Auge stechen würde. Sie
lümmelte sich in den Sessel und trank genüsslich ein Glas
roten Weins. ,Auch einheimisch’, dachte sie belustigt und hielt
das Gefäß gegen das Fenster. ,Der braucht Licht und Wärme.
Wenn er versiegt… Von der Erde schaffen sie bestimmt so
Überflüssiges nicht her. Und wer weiß, wann es dort wieder
Winzer geben wird.’ Sie goss nach.
    Sophie genoss noch Augenblicke das angenehme Prickeln auf
der Haut nach dem Sonnenbad, sortierte und packte
Werkzeuge ein und stieg dann nach oben in die Kuppel.
    Lucie saß am Monitor, starrte auf Zahlenkolonnen und sah
nur kurz auf, als Sophie eintrat. „Da bist du ja endlich“, sagte
sie.
    Auch in der ungesunden, gekrümmten Haltung ließ sich
deutlich Lucie Blackhills zarte, beinahe zerbrechliche Gestalt
erkennen. Sie trug das dunkle Haar pflegeleicht stoppelig, stak
in einem enganliegenden grauen Overall, und das schmale
Gesicht wirkte kränklich blass.
    ,Aber das kann auch am Widerschein des Bildschirms
liegen’, dachte Sophie. „Wo brennt’s denn?“, fragte sie.
„Ich habe schon immer gesagt, diese japanischen Getriebe
taugen nichts. Man kann nicht überall auf Teufel-komm-raus
Kunststoff verwenden. Ja, auf der Erde vielleicht. Wann
bewegen die dort die Teleskope schon mal. Vier Wochen eine
Einstellung. Anträge und Warteschlangen, wenn jemand einen
Sektor absuchen möchte. Deshalb sind auch die Entdeckungen
so spärlich. Vergleiche das einmal mit dem, was uns schon
alles gelungen ist…“ Während der Tirade hatte Lucie keine
Sekunde den Bildschirm aus den Augen gelassen und auch ihre
Haltung nicht verändert.
Sophie hüstelte. „Was funktioniert nicht?“, unterbrach sie
sanft.
„Der Feintrieb. Der Feintrieb klemmt in der Rechtsdrehung.
Bei einem bestimmten Punkt schaltet einfach der Motor ab.“
„Das muss er, wenn’s klemmt“, murmelte Sophie. „Kannst
du mir das einmal vorführen?“
Lucie seufzte, warf noch einen Blick auf den Schirm, gab
sich mit dem Sessel einen Impuls, dass sie fast zwei Meter
vom Pult hinweg rollte, stand auf und begab sich zur
Steuerkonsole des Teleskops. „Wenn’s denn sein muss“, sagte
sie unwillig und betätigte einige Tasten. „Bitte!“ Lucie nickte
Sophie zu. Ihr Blick blieb

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