Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
Vorkehrungen. Nach und nach sah ich das Unrechtmäßige meiner Absichten gegen die Wilden ein und erkannte, daß ich nur dann mich mit denselben befassen dürfe, wenn sie mich zuerst angriffen, und daß dem wo möglich vorzubeugen jetzt meine einzige Aufgabe sei. Zugleich machte ich mir klar, wie ich durch mein früheres Vorhaben, statt mich zu befreien, nur mein eigenes Verderben herbeigeführt haben würde. Denn falls es mir nicht gelang, sämmtliche Wilde, sowohl die, welche das nächste Mal, als auch die, welche jemals später auf die Insel kamen, zu töten, und sobald nur ein Einziger entrann und seinen Landsleuten berichtete, was geschehen sei, so war es sicher, daß diese zu Tausenden kommen und den Tod ihrer Gefährten rächen würden. Mit Rücksicht auf dies Alles beschloß ich, da es weder vernünftig, noch klug sei, mich in die Angelegenheiten der Wilden zu mischen, nichts Anderes zu tun, als mich in jeder Weise vor diesen verborgen zu halten und ihnen nicht den mindesten Anlaß zu der Vermutung zu geben, daß irgend ein Wesen in Menschengestalt auf der Insel hause.
Auch meine religiöse Weltanschauung unterstützte diesen Vorsatz der Klugheit, und so war ich auf die mannichfachste Weise davon überzeugt, daß ich nur pflichtmäßig handelte, wenn ich meine blutigen Pläne gegen die unschuldigen Menschen fallen ließe. Unschuldig nämlich in Bezug auf mich. Ihre Verbrechen richteten sie ja nur gegen einander. Es waren Nationalsünden, deren Bestrafung ich der Gerechtigkeit Gottes zu überlassen hatte, welcher die Vergehen der Völker richtet und am besten weiß, wie sie durch Strafen zu rächen und zu sühnen sind. Dies war mir jetzt so klar, daß ich mit größter Genugtuung darüber erfüllt wurde, Nichts von dem ausgeführt zu haben, was ich nun aus vielen Gründen als einen absichtlichen Mord ansah. Ich dankte Gott auf den Knien dafür, daß er mich vor Blutschuld bewahrt hatte. Ich flehete ihn inbrünstig an, mich nicht in die Hände der Wilden fallen und mich nur dann selbst Hand an sie legen zu lassen, wenn ich durch die Notwendigkeit der Selbstverteidigung einen entschiedenen Beruf dazu haben würde.
In dieser Stimmung verblieb ich fast ein volles Jahr. Ich war jetzt so weit entfernt davon, die Gelegenheit zu einem Überfall der unglücklichen Menschen herbeizuwünschen, daß ich während jenes ganzen Zeitraums nicht ein einziges Mal den Hügel erstieg. Ich wollte sie gar nicht ins Gesicht bekommen und überhaupt nicht wissen, ob sie auf der Insel seien, damit sich meine Pläne gegen sie nicht erneuerten und ich nicht durch irgend einen sich darbietenden Vorteil zu einem Angriff gegen sie herausgefordert würde.
Das Einzige, was ich tat, war, daß ich das Boot von der anderen Inselseite entfernte und nach dem östlichen Teil brachte. Dort barg ich es in einer kleinen Bucht unter hohen Felsen, wohin, wie ich wußte, die Wilden wegen der Strömung mit ihren Canoes nicht kommen konnten. In meinem Boot führte ich alles dazu Gehörige mit fort, Mast und Segel und das ankerartige Ding, das ich mir, so gut es hatte gehen wollen, angefertigt hatte. Ich nahm dies Alles mit, um nicht das geringste Zeichen des Bewohntseins der Insel zurückzulassen.
Außerdem hielt ich mich, wie erwähnt, eingezogener als je und verließ meine Behausung selten, außer um meine Ziegen zu melken und meine kleine Herde in den Wald zu treiben. Hier war ich, da er auf der entgegengesetzten Seite der Landungsstelle der Wilden lag, keiner Gefahr ausgesetzt. Soviel nämlich schien gewiß, daß diese bei ihren Besuchen der Insel nicht die Absicht hegten, auf derselben Etwas zu suchen, und daß sie daher sich nicht weit von der Küste zu entfernen pflegten. Sie waren, wie ich nicht bezweifelte, seitdem mich die Furcht behutsamer gemacht, wiederholt auf der Insel gewesen. Mit Entsetzen bedachte ich, in welcher Lage ich mich befunden haben würde, wäre ich bei einer solchen Gelegenheit auf die Cannibalen gestoßen und von ihnen zu einer Zeit entdeckt worden, in der ich einzig mit einer meist nur mit leichtem Schrot geladenen Flinte bewaffnet überall nach Beute herumzustreifen pflegte. Wie groß wäre mein Schrecken gewesen, wenn ich statt jener Fußspur plötzlich einen ganzen Haufen von Wilden gesehen hätte und von ihnen verfolgt worden wäre, wobei ihre Schnelligkeit mir ein Entrinnen gewiß unmöglich gemacht haben würde. Der Gedanke hieran ließ mir zuweilen das Herz erbeben und entmutigte mich so, daß ich nur mit Mühe
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