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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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auch alle aus der Seenot gerettet worden wären, wir dennoch Gefahr liefen, eher von Wilden gefressen zu werden, als je wieder in unser eigenes Land zu kommen.
    In dieser Not, bei noch immer heftig stürmendem Winde, schrie einer unserer Leute früh am Morgen «Land!», und wir waren kaum aus der Kajüte gestürzt, um Ausschau zu halten, in der Hoffnung, zu sehen, wo in der Welt wir nun eigentlich seien, als auch schon das Schiff auf eine Sandbank stieß und augenblicklich infolge des jähen Rucks die See so mächtig darüber her brach, daß wir alle dachten, es sei um uns geschehen, und uns eilends unter Deck verkrochen, um vor dem Schaum und Gischt Schutz zu suchen.
    Wer nie in dergleichen Not gewesen ist, kann sich nicht leicht die Bestürzung der Menschen in solcher Lage vorstellen. Wir wußten nicht, auf welches Land wir getrieben, ob Insel oder Festland, bewohnt oder unbewohnt. Und da die Wut des Windes noch immer groß war, konnten wir nicht hoffen, daß sich das Schiff länger als ein paar Minuten halten würde, ohne in Stücke zu bersten, der Wind wäre denn durch ein halbes Wunder augenblicklich umgesprungen. Mit einem Wort : wir saßen und sahen einander an und erwarteten mit jedem Augenblick den Tod, jeder auf seine Art; denn mehr konnten wir dabei nicht tun. Unser einziger Trost war, daß wider Erwarten das Schiff noch nicht zerbrach und daß der Kapitän sagte, der Wind begänne nachzulassen. Obschon nun der Wind ein wenig abzuflauen schien, lag das Schiff doch zu fest auf dem Sand, als daß wir hoffen konnten, es flott zu kriegen. Wir waren wirklich in einer schrecklichen Lage, und es blieb uns nichts übrig, als darauf zu denken, wie wir unser Leben retten könnten, so gut es ging.
    Wir hatten ein Boot am Heck gehabt, in Luv; aber es war zuerst durch Anschlagen gegen das Schiffsruder leck geworden, dann losgerissen und entweder gesunken oder in See getrieben. So war es damit vorbei. Wir hatten ein zweites Boot an Bord; aber die Kunst war, wie es ins Wasser bringen? Allein da galt kein Palavern; denn wir sahen schon jede Minute das Schiff in Stücke bersten, und einige behaupteten, es sei bereits geborsten.
    In dieser Not packte der Steuermann das Boot und schwang es mit Hilfe der übrigen Mannschaft über Bord. Wir warfen uns alle hinein, ließen es los und ergaben uns, elf an der Zahl, der Gnade Gottes und der See. Denn wenn auch der Sturm beträchtlich nachgelassen hatte, so brandete doch die See furchtbar hoch über das Ufer und konnte mit Recht, wie es bei den Holländern geschieht, «den wild Zee» genannt werden.
    Wir waren nun in einer grauenvollen Lage; denn wir sahen klar, daß das Boot sich in diesem Seegang nicht würde halten können und daß wir alle unfehlbar ertrinken müßten. Segel konnten wir nicht aufsetzen; denn wir hatten keine und hätten damit auch nichts ausrichten können. So arbeiteten wir uns mit Rudern auf das Ufer zu, obwohl mit schweren Herzen, wie Männer, die ihrer Hinrichtung entgegengehen; denn wir wußten alle, daß das Boot, sowie es dem Ufer nahe kam, von der Brandung der See in tausend Stücke zerschmettert werden mußte. Trotzdem befahlen wir unsere Seelen aufs inbrünstigste dem lieben Gott und halfen dem Wind, der uns auf das Land zutrieb, mit unseren eigenen Händen zu unserem Untergang, indem wir aus Leibeskräften ruderten.
    Ob das Ufer felsig oder sandig, steil oder flach war, wußten wir nicht; der einzige Schatten von Hoffnung, den wir vernünftigerweise noch haben konnten, war, daß wir vielleicht in irgendeine Bucht oder Flußmündung gelangen würden, in die wir, wenn alles gut ging, unser Boot hineinjagen könnten; oder daß wir in Lee des Landes und somit in glattes Wasser kämen. Aber nichts dergleichen bot sich uns, sondern je näher und näher wir dem Ufer kamen, um so drohender sah das Land aus, drohender noch als die See.
    Nach etwa anderthalb Meilen Ruderns kam eine rasende Woge berghoch hinter uns her gerollt, begierig, uns den letzten Gnadenstreich zu versetzen. Sie faßte uns, kurz gesagt, mit solcher Gewalt, daß das Boot sofort umschlug. Sie riß uns gleichzeitig vom Boot und voneinander weg, und kaum daß uns Atem blieb, «O Gott!» zu schreien, waren wir auch schon im Nu von ihr verschlungen.
    Niemand kann den Wirrwarr meiner Gedanken beschreiben, als ich im Wasser versank. Denn obwohl ich ein guter Schwimmer war, vermochte ich mich doch nicht herauszuringen, um Atem zu holen, bis mich die Woge weit auf das Ufer hinaufgetrieben oder

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