Robinson Crusoe
eine Menge Wasser im Raum hatte und daß es an einer Bank von hartem Sand oder vielmehr Erdreich lag, das Heck hoch über die Bank ragend, der Bug aber fast im Wasser. Infolgedessen war sein ganzes Achterdeck frei und mit allem, was es enthielt, trocken. Man kann sich denken, daß ich zu allernächst daran ging, zu suchen und zu sehen, was verdorben und was noch gut war. Meine erste Entdeckung war, daß der gesamte Mundvorrat trocken und vom Wasser unberührt war; und da meine Eßlust nicht gering war, ging ich in die Brotkammer, stopfte mir die Taschen voll Zwieback und aß im Weiterstöbern; denn Zeit hatte ich nicht zu verlieren. Ich fand auch etwas Rum in der großen Kajüte und tat einen guten Zug, was mir auch sehr not tat zur Stärkung für das, was mir noch bevorstand. Nun fehlte mir nur noch ein Boot, um mich mit vielerlei Sachen zu versorgen, von denen ich voraussah, daß ich sie notwendig brauchen würde.
Bloßes Stillesitzen und Wünschen konnte nichts helfen. Aber die Not machte mich erfinderisch. Wir hatten verschiedene Rahen, zwei oder drei lange Holzsparren und ein oder zwei Toppmasten auf Vorrat im Schiff. Ich beschloß, mich an diese zu machen, warf davon, so viele ich schleppen konnte, über Bord und band sie mit Tauen fest, damit sie nicht abtrieben. Dies getan, kletterte ich an der Schiffswand hinunter, zog die Hölzer an mich, band vier davon an beiden Enden, so fest ich konnte, aneinander zu einem Floß und legte zwei oder drei kurze Planken quer darüber. Ich fand, daß ich zwar sehr wohl darauf gehen konnte, daß es aber zu leicht war, um größere Lasten zu tragen. So machte ich mich abermals ans Werk und sägte mit der Zimmermannssäge einen der vorrätigen Toppmasten in drei gleiche Längen und fügte sie mit großer Mühe und Arbeit auf mein Floß. Die Hoffnung, mich mit all den notwendigen Dingen versehen zu können, gab mir Kräfte, die ich sonst nicht gehabt hätte.
Mein Floß war nun stark genug, um jede einigermaßen vernünftige Last zu tragen. Meine nächste Sorge war, womit ich es beladen und wie ich die Fracht vor der überschlagenden See schützen sollte. Darüber zerbrach ich mir jedoch nicht lange den Kopf; zuerst legte ich alle Bretter und Planken darauf, deren ich habhaft werden konnte, sodann nahm ich drei Matrosenkisten, erbrach und leerte sie und ließ sie auf das Floß hinunter; die erste füllte ich mit Proviant, und zwar Brot, Reis, drei holländ ischen Käsen, fünf Stücken gedörrten Ziegenfleisches und einem Rest europäischen Kornes, das wir als Futter für einige inzwischen geschlachtete Hühner mit hatten. Es war Gerste und Weizen vermischt gewesen; aber zu meiner großen Enttäuschung entdeckte ich hernach, daß die Ratten alles gefressen oder verdorben hatten. An Getränk fand ich einige Flaschenkisten, die unserm Kapitän gehört hatten, mit etwas Kordialwasser und über fünf oder sechs Gallonen Wein, die ich abseits verstaute, weil sie wasserdicht waren und in der Kiste nicht Raum fanden. Inzwischen begann die Flut, wenn auch sehr ruhig, zu steigen, und ich mußte zu meinem großen Leidwesen mit ansehen, wie mein Rock, Wams und Hemd, die ich auf dem Ufersand gelassen, davonschwammen; ich war nur in meinen kurzen Leinenhosen und Strümpfen an Bord geschwommen. Dies brachte mich indessen darauf, nach Kleidern zu suchen. Ich fand eine Menge, nahm aber nur soviel mit, wie ich für diesmal brauchte; denn ich hatte noch andere Dinge im Auge: vor allem Werkzeug zur Arbeit am Land. Nach langem Suchen geriet ich an die Kiste des Schiffszimmermanns : eine kostbare Beute!
Viel wertvoller für mich, als eine Schiffsladung voll Gold mir in diesem Augenblick gewesen wäre! Ich verlud sie, wie sie war, auf mein Floß, ohne Zeit mit Öffnen zu verlieren; denn ich wußte ohnedies ungefähr, was sie enthielt.
Demnächst war mir's um Waffen und Munition zu tun. In der Kajüte befanden sich zwei sehr gute Vogelflinten und zwei Pistolen; diese nahm ich sogleich an mich samt einigen Pulver-hörnern und einem kleinen Sack mit Kugeln sowie zwei kleinen alten, rostigen Schwertern. Ich wußte, daß drei Pulverfässer im Schiff waren, aber nicht, wo sie der Stückmeister verstaut hatte; nach vielem Suchen fand ich sie jedoch; zwei davon waren trocken und gut, das dritte aber war naß geworden; diese zwei schleppte ich samt den Waffen auf mein Floß. Jetzt glaubte ich, genug geladen zu haben, und begann zu überlegen, wie ich mit meiner Fracht an Land kommen könnte, da ich weder
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