Robinson Crusoe
sondern auch Milch, an die ich im Anfang gar nicht gedacht hatte; aber als es mir einfiel, war es eine freudige Überraschung für mich. So richtete ich mir eine Meierei ein und hatte oft fünf bis neun Liter Milch an einem Tag. Die Natur, die jedem Wesen seine Nahrung gibt, lehrt es auch, sie zu nützen. So gelang es mir, der ich nie eine Kuh, noch weniger eine Ziege hatte melken oder Butter und Käse machen sehen, nach vielen mißlungenen Versuchen, mir beides, Butter und Käse, zu bereiten, so daß ich von nun an immer damit versorgt war.
Wie barmherzig kann unser großer Schöpfer seine Geschöpfe behandeln, selbst in Lagen, in denen sie zum Untergang verurteilt scheinen! Wie vermag er die bittersten Fügungen zu versüßen und uns Ursache geben, ihm für Kerker und Gefängnisse Preis und Dank zu sagen! Was für einen Tisch hatte er mir hier in der Wüste gedeckt, wo ich anfangs nur den Hungertod vor Augen sah!
Es würde manchen Griesgram zum Lachen gebracht haben, wenn er mich mit meiner kleinen Familie bei Tisch hätte sitzen sehen: zuoberst Meine Majestät, der Fürst und Gebieter über die ganze Insel. Ich war absoluter Herr über das Leben meiner sämtlichen Untertanen, ich konnte hängen, vierteilen, Leben und Freiheit geben und nehmen, und kein einziger Rebell war unter ihnen. Ich speiste also wie ein König! Poll, gleichsam als mein Favorit, hatte als einziger die Erlaubnis, mit mir zu sprechen. Mein Hund, der nun sehr alt und wunderlich geworden war und keine Stammverwandten gefunden hatte, um sich fortzupflanzen, saß stets zu meiner Rechten, und zwei Katzen, die eine auf der einen, die andere auf der anderen Seite des Tisches, paßten auf, bis ich ihnen zum Zeichen besonderer Gnade hie und da einen Bissen zuwarf.
Das waren jedoch nicht die beiden Katzen, die ich anfangs mit an Land gebracht hatte; denn die waren beide tot und lagen von meinen eigenen Händen begraben in der Nähe meiner Wohnung. Aber die eine hatte sich unter Mitwirkung ich weiß nicht was für einer Kreatur vermehrt, und von ihren Jungen hatte ich diese beiden zahm aufgezogen, während die anderen wild in den Wäldern herumliefen und schließlich eine Plage für mich wurden; denn sie kamen mir oft ins Haus und plünderten mich, bis ich schließlich gezwungen war, sie abzuschießen. Mit solchem zahlreichen Hofstaat lebte ich also.
Wie ich schon sagte, hätte ich gern mein Boot wiedergehabt und überlegte mir daher oft, wie ich es um die Insel herumbringen könnte. Ich wurde das Verlangen nicht los, wieder zu jener Spitze der Insel zu gehen, wo ich bei meinem letzten Ausflug von einem Hügel nach der Strömung ausgeschaut hatte. Meine Unruhe wuchs täglich, und schließlich entschloß ich mich, längs der Küste zu Land dorthin zu wandern. Und so tat ich auch. Aber wenn jemand in England so einem Menschen wie mir begegnet wäre, würde er entweder zu Tode erschrocken oder in ein gewaltiges Gelächter ausgebrochen sein; wie ich denn selber, wenn ich zuweilen stille stand und an mir hinunterschaute, ein Lächeln nicht unterdrücken konnte bei dem Gedanken, ich sollte in solchem Aufzug und in dieser Kleidung durch Yorkshire reisen. Man stelle sich vor, wie ich etwa aussah: Erstlich hatte ich eine große, hohe, unförmige Mütze aus Ziegenfell auf dem Kopf, mit einem Lappen, der hinten hinunter hing, um mich vor der Sonne zu schützen und den Regen mir nicht in den Nacken fließen zu lassen, da nichts in diesem Klima so schädlich ist wie Regen auf bloßem Körper unter den Kleidern.
Ferner trug ich eine kurze Ziegenfelljacke, die mir ungefähr bis halb über die Schenkel reichte, und ein Paar offene Kniehosen aus demselben Stoff. Sie waren aber aus der Haut eines alten Bockes, und die Haare hingen auf beiden Seiten so weit hinunter, daß sie mir fast bis mitten auf die Beine reichten. Strümpfe und Schuhe besaß ich nicht, doch hatte ich mir statt dessen ein paar merkwürdige Dinger gemacht, ich weiß wirklich nicht, wie ich sie nennen soll, so etwas wie Halbstiefel, die ich mir über die Füße zog und an der Seite verschnürte wie Gamaschen; aber sie hatten eine barbarische Form, wie alle meine Kleider.
Überdies trug ich einen breiten Gürtel aus Ziegenfell, den ich anstatt der Schnallen mit zwei Riemen aus demselben Leder zusammenzog. An jeder Seite befand sich eine Lederschlaufe. Darin hingen statt Schwert und Degen eine kleine Sense und eine Axt. Noch ein anderes, schmäleres Ledergehänge trug ich über der Schulter.
Daran hingen,
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