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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Schiff.
Ich vermag mit keinem Wort auszudrücken, was für eine heiße Sehnsucht ich bei dem Anblick des Wracks in meiner Seele fühlte. Manchmal entfuhr es mir: «O wären doch ein oder zwei, nein, nur eine einzige Seele aus dem ganzen Schiff gerettet und käme zu mir, daß ich nur einen Gefährten, ein Geschöpf hätte, das zu mir sprechen und mit dem ich reden könnte!» Während meines ganzen einsamen Lebens hatte ich nie so leidenschaftlich und innig nach der Gesellschaft eines anderen Menschen verlangt oder den Mangel daran so tief bedauert.
Es gibt Regungen in der menschlichen Brust, die, wenn sie durch etwas, das uns vor Augen steht, oder auch nur durch etwas, das die Einbildungskraft uns vorgaukelt, geweckt werden, die Seele mit so stürmischem Verlangen erfüllen, daß es uns ganz unerträglich scheint, auf das Erschaute und Ersehnte verzichten zu müssen.
Solcherart war mein leidenschaftlicher Wunsch: «Wäre doch nur einer von diesen Männern gerettet! O wäre es doch nur einer!»
Ich glaube, ich wiederholte diese Worte: «O wäre es nur einer!» tausendmal, und mein Verlangen war so heftig, daß bei diesen Worten meine Hände sich so ineinander krampften und meine Finger sich so zusammenquetschten, daß, wenn ich etwas Weiches in der Hand gehabt hätte, es erbarmungslos zerdrückt worden wäre, und meine Zähne bissen sich so fest, daß ich sie lange Zeit nicht wieder auseinanderbringen konnte. Die Gelehrten mögen diese Dinge und ihre Ursache erklären: Ich kann nur die bloße Tatsache beschreiben, über die ich mich selber verwunderte.
Obwohl ich nicht wußte, woher diese Erscheinung kam, war sie doch zweifellos die Wirkung meiner heißen Wünsche und Vorstellungen, die mir vor Augen führten, wie beglückend es für mich gewesen wäre, mit einem meiner christlichen Mitmenschen reden zu können.
Allein es war alles umsonst; denn bis zum letzten Jahre meines Aufenthaltes auf der Insel sollte ich nie erfahren, ob jemals jemand auf diesem Schiff gerettet wurde oder nicht. Einige Tage später sah ich nur zu meinem Schmerz die angeschwemmte Leiche eines ertrunkenen Matrosen an der Spitze der Insel, die dem Wrack am nächsten lag. Er hatte nur eine Seemannsjoppe, ein paar leinene Kniehosen und ein blaues Leinenhemd an, aber nichts bei sich, woran ich hätte erkennen mögen, was für ein Landsmann er gewesen sei. In seiner Tasche steckten nur zwei Speziestaler und eine Tabakspfeife, die für mich zehnmal wertvoller war als das Geld. Die See war nun still, und ich hatte große Lust, mich in meinem Boot bis an das Wrack zu wagen, da ich nicht zweifelte, nützliche Dinge an Bord zu finden. Aber was mich am meisten lockte, war die Möglichkeit, daß vielleicht noch lebende Wesen an Bord wären, die ich, mir selber zum Trost und Beistand, erretten könnte. Und dieser Gedanke haftete mir so im Herzen, daß ich weder bei Tag noch bei Nacht Ruhe hatte. Ja, ich mußte mit meinem Boot hinaus zu diesem Wrack und alles übrige Gottes Vorsehung anheimstellen. Das war so stark in mir, daß ich mich des Gefühls nicht erwehren konnte, es käme von einer unsichtbaren leitenden Macht her und ich würde mich gegen mich selbst versündigen, wenn ich nicht hinführe.
Ich eilte also zu meiner Burg zurück und machte alles für meine Fahrt fertig. Ich nahm eine Menge Brot, einen großen Topf Trinkwasser, einen Kompaß, eine Flasche Rum, wovon ich noch ein gut Teil übrig hatte, sowie einen Korb mit Rosinen. Und so ging ich, mit allem Nötigen beladen, zu meinem Boot hinunter, schöpfte es aus und brachte es zu Wasser, lud meine ganze Fracht hinein und ging dann nochmals nach Hause zurück, um noch mehr zu holen. Meine zweite Ladung bestand aus einem großen Beutel voll Reis, meinem Schirm, einem zweiten großen Krug mit Süßwasser, noch etwa zwei Dutzend Gerstenbroten oder -kuchen sowie einer Flasche Ziegenmilch und einem Käse. Alles brachte ich mit viel Mühe und Schweiß ins Boot. Und nachdem ich zu Gott um gute Fahrt gebetet hatte, stieß ich ab und ruderte längs der Küste hin. bis ich schließlich an das äußerste Nordostende der Insel gelangte. Nun mußte ich mich auf gut Glück in den Ozean hinauswagen. Ich blickte auf die reißenden Strömungen, die zu beiden Seiten der Insel liefen und vor denen mir noch in der Erinnerung graute. Der Mut wollte mir sinken; denn ich sah voraus, daß ich, wenn ich in einen der beiden Ströme geriet, weit ins Meer hinausgetrieben werden würde und daß es dann beim leisesten Wind in

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