Robocalypse: Roman (German Edition)
Lange schwarze Strähnen kleben in seinem verunstalteten Gesicht. Wo vorher sein Mund war, ist jetzt nur noch eine große Wunde. Doch seine Augen sind offen und brennen vor Hass. Ich weiß, dass er mir gerade das Leben gerettet hat, und trotzdem jagt mir sein Anblick beinah Angst ein. Er sieht aus wie ein Dämon, der uns einen Überraschungsbesuch aus der Hölle abstattet.
Ein weiteres Mal reißt er an einem von Big Happys kaputten Beinen, dann schließen sich seine Augen. Ich glaube nicht, dass er noch atmet. Die Maschine beachtet ihn nicht weiter. Sie wendet mir wieder ihr grinsendes Gesicht zu und robbt erneut auf mich zu.
Genau in dem Moment sprudelt eine Springflut aus schaumigem Spülwasser aus dem Abfluss im Boden hervor. Schnell bildet es eine große, hellrosa Pfütze.
Kaum erreicht das Wasser eines der kaputten Kniegelenke, die Big Happy hinter sich herzieht, steigt eine kleine Rauchwolke auf. Es riecht deutlich nach verbranntem Plastik, und die ganze Maschine erstarrt plötzlich mitten in der Bewegung. Nichts Aufregendes. Das Ding gibt einfach den Geist auf. Das Wasser muss in eine Leitung geraten sein und einen Kurzschluss verursacht haben.
Das Ding bleibt nur ein paar Zentimeter vor mir einfach liegen und grinst mich weiter dämlich an.
Das war schon die ganze Geschichte. Den Rest kennen Sie ja.
Danke Ihnen, Jeff. Ich weiß, das war nicht leicht für Sie. Ich denke, jetzt habe ich alles, um meinen Bericht schreiben zu können. Dann will ich Ihnen mal ein bisschen Ruhe gönnen.
Hey, Mann, kann ich Sie noch schnell was fragen, bevor Sie gehen?
Nur zu.
Wie viele Hausroboter gibt es eigentlich genau? Big Happys, Slow Sues und der ganze Rest? Weil mir irgendwer mal erzählt hat, es gäbe doppelt so viele wie Menschen.
Keine Ahnung. Hören Sie, Jeff, die Maschine ist einfach durchgedreht. Eine wirkliche Erklärung haben wir dafür nicht.
Na ja, aber was passiert, wenn die plötzlich alle anfangen, auf Menschen loszugehen, Mann? Wenn es wirklich so viele sind, dann hätten wir in dem Fall ein ziemliches Problem. Das Ding wollte nichts anderes als mich umbringen – Punkt. Das habe ich Ihnen gleich von Anfang an gesagt. Sonst mag mir niemand glauben, aber Sie wissen Bescheid.
Versprechen Sie mir eins, Officer Blanton. Bitte.
Was soll ich Ihnen versprechen?
Versprechen Sie mir, dass Sie die Dinger im Auge behalten. Behalten Sie sie gut im Auge. Und … und lassen Sie nicht zu, dass sie noch jemandem das Gleiche antun wie Felipe. Okay?
Nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Regierung hat sich Officer Lonnie Wayne Blanton der Osage Nation Lighthorse Tribal Police angeschlossen, einer berittenen Stammespolizei, deren Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Dort, im Dienst der eigenständigen Regierung des Volkes der Osage, hatte er die Möglichkeit, das an Jeff gegebene Versprechen einzulösen.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
III. Der Egel
»Ich weiß, dass sie eine Maschine ist.
Aber sie liebt mich. Und ich liebe sie auch.«
Takeo Nomura
Vorläufervirus + 4 Monate
Die Erklärungen zu diesem schiefgegangenen Streich stammen aus dem Munde von Ryu Aoki, einem Mechaniker der im Adachi-Bezirk der japanischen Stadt Tokio gelegenen Lilliput-Elektronikfabrik. Das Gespräch wurde von zwei in der Nähe arbeitenden Fabrikrobotern mitgeschnitten. Für diese Aufzeichnungen wurde es aus dem Japanischen übersetzt.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
W ir dachten, es wäre lustig, verstehen Sie? Okay, okay, da lagen wir falsch. Aber Sie müssen uns glauben, dass wir nicht wollten, dass der alte Mann bei der Sache irgendwie verletzt wird. Und umbringen wollten wir ihn schon gar nicht.
In der Fabrik weiß jeder, dass Mr. Nomura ein komischer Kauz ist, ein Freak. Er sieht ja schon aus wie ein verwachsener kleiner Troll. Mit seiner Nickelbrille auf der Nase schlurft er durch die Werkshalle und hat die kleinen schwarzen Äuglein nie woandershin gerichtet als auf den Boden. Außerdem stinkt er nach altem Schweiß. Ich halte grundsätzlich den Atem an, wenn ich an seiner Werkbank vorbeigehe. Immer sitzt er da, arbeitet mehr als jeder andere. Und das auch noch für weniger Lohn.
Takeo Nomura ist fünfundsechzig. Er hätte längst in Rente geschickt werden sollen. Aber er arbeitet immer noch hier, weil niemand sonst die Maschinen so schnell reparieren kann. Wie er das macht, ist nicht normal. Wie soll man da mithalten? Wie soll man jemals selbst zum leitenden Mechaniker aufsteigen, wenn er dort an seiner
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