Robocalypse: Roman (German Edition)
Werkbank steht und seine Hände sich so schnell bewegen, dass einem ganz schwindlig vom Zuschauen wird? Seine Anwesenheit bringt das wa der Fabrik durcheinander, ist nicht gut für unsere soziale Harmonie.
Man sagt doch, dass der herausstehende Nagel eingeschlagen wird, oder?
Mr. Nomura kann zwar seinen Mitmenschen nicht in die Augen sehen, aber ich habe selbst beobachtet, wie er in die Kamera eines defekten ER3-Schweißarms starrt und mit ihm spricht. Was gar nicht so merkwürdig wäre, würde der Arm danach nicht wieder funktionieren. Der alte Mann kennt sich mit Maschinen wirklich aus.
Wir machen gerne Witze darüber, dass Mr. Nomura wahrscheinlich selbst eine Maschine ist. Natürlich ist er das nicht. Aber seltsam ist er trotzdem irgendwie. Hätte er die Wahl, ich gehe jede Wette ein, Mr. Nomura wäre lieber eine Maschine als ein Mensch.
Sie müssen mir nicht glauben, aber alle anderen Arbeiter sind derselben Meinung. Gehen Sie in die Werkshalle der Lilliput-Fabrik, und fragen Sie, wen Sie wollen: Aufseher, Mechaniker, ganz egal, wen. Meinetwegen auch den Hallenleiter. Mr. Nomura ist nicht wie wir anderen. Er behandelt Maschinen wie Menschen.
Im Laufe der Jahre wurde mir sein zerknittertes kleines Gesicht immer unsympathischer. Ich wusste, er hat was zu verbergen. Dann fand ich eines Tages auch heraus, was: Mr. Nomura lebt mit einer Sexpuppe zusammen.
***
Ungefähr vor einem Monat hielt sich mein Kollege Jun-chan zufällig vor Mr. Nomuras Rentnergruft auf – einem fünfzigstöckigen Hochhaus mit Zimmern, die kaum größer sind als Särge –, da kam der alte Mann plötzlich mit diesem merkwürdigen Ding im Arm aus der Tür. Als Jun mir davon erzählte, dachte ich, ich hör nicht richtig. Mr. Nomuras Sexpuppe, sein Android, begleitete ihn bis nach vorne in den Pavillon. Vor allen Leuten gab er ihr einen Kuss auf die Wange und ging dann zur Arbeit. Als wären sie verheiratet oder so was.
Das Kranke daran ist: Die Puppe ist nicht mal schön. Sie wurde so gefertigt, dass sie wie eine alte Frau aussieht. Eine hübsche junge Sexpuppe mit ordentlich Holz vor der Hütte bei sich im Schlafzimmer verstecken, das ist ja nicht unnormal. Wir haben alle unsere Laster. Da soll keiner den ersten Stein werfen.
Aber sich an irgendeiner ollen Plastikpuppe aufgeilen, die genauso viele Falten im Gesicht hat wie der alte Knacker selbst?
Es muss eine Spezialanfertigung sein. Das stört mich daran am meisten. Wie gut sich Mr. Nomura diese ganze widerliche Sache überlegt hat. Der wusste genau, was er will, und jetzt lebt er mit einer sprechenden Schaufensterpuppe zusammen, die aussieht wie eine hässliche alte Frau. Ich finde das eklig. Absolut widerwärtig.
Deswegen haben Jun und ich beschlossen, ihm einen kleinen Streich zu spielen.
Die Roboter bei uns in der Fabrik sind große, dumme Arbeitstiere. Es sind kaum mehr als mit unzähligen Gelenken versehene Stahlarme, an denen vorne thermische Spritzbrenner, Schweißgeräte oder Greifzangen sitzen. Sie nehmen die Menschen in ihrer Umgebung durchaus wahr, und der Hallenleiter behauptet, dass sie keine Gefahr darstellen. Trotzdem wissen wir alle, dass man ihnen besser nicht in die Quere kommt.
Industrieroboter sind schnell und stark. Androiden dagegen sind langsam und schwach. Der Aufwand, der nötig ist, um sie wie Menschen wirken zu lassen, hat seinen Preis. Die gesamte Leistungskraft wird auf eine möglichst naturgetreue Atmung und Mimik verschwendet. Für wirklich nützliche Dinge bleibt praktisch keine Energie, was eigentlich eine Schande ist. Was kann bei einem so schwachen Roboter schon Gefährliches passieren, dachten wir.
Es war nicht schwer für Jun, einen Egel zu konstruieren – ein kleines Programm auf einem kabellosen Transceiver. Der hat etwa die Größe einer Streichholzschachtel und sendet im Umkreis von einem Meter ständig dieselben Befehle aus. In der Fabrik haben wir dann den Hauptrechner benutzt, um uns über die Diagnosecodes von Androiden zu informieren. So waren wir sicher, dass die Puppe die Befehle des Egels für Befehle des zuständigen Service-Providers halten und ihnen gehorchen würde.
Am nächsten Tag gingen Jun und ich etwas früher zur Arbeit als sonst. Wir waren aufgeregt wie Schuljungen. Gemeinsam spazierten wir zu dem Pavillon, der auf der anderen Straßenseite von der Lilliput-Fabrik liegt, und versteckten uns hinter ein paar Sträuchern. Auf dem Platz standen bereits alle möglichen alten Leute rum. Wahrscheinlich hielten
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