Robocalypse: Roman (German Edition)

Gesichter. Als wir fertig sind, ist nur noch ein großes rotes Ausrufezeichen übrig.
    Schweigend packen wir unser Zeug zusammen und ziehen weiter.
    ***
    Meiner Überzeugung nach gibt es keine ehrlicheren Entscheidungen als jene, die in einer Notsituation getroffen werden – also ohne lange darüber nachzudenken. Sich an diese Entscheidungen zu halten bedeutet, seinem Schicksal zu gehorchen. Das Grauen ist zu groß; es verdrängt alle anderen Gedanken und Gefühle. Deswegen schießen wir mit unbewegten Mienen die Leiche unseres Freundes in Fetzen. Deswegen lassen wir den toten Körper meines Bruders ohne Grab. Im Schmelztiegel der um diesen eisigen Hügel ausgetragenen Schlacht wurde der Brightboy-Squad aufgelöst und in eine neue Form gegossen. Ruhiger und tödlicher als vorher sind wir jetzt, kein empfindsames Blinzeln beeinträchtigt mehr unseren Blick.
    Wir sind mitten in einen Alptraum hineinmarschiert. Diesen tragen wir nun mit uns und wollen nichts lieber tun, als unseren Feind daran teilhaben zu lassen.

An diesem Tag wurde ich zum Anführer des Brightboy-Squads. Nach dem Tod von Tiberius Abdella und Jack Wallace zögerte der Trupp nie wieder, für unseren Sieg gegen die Roboter jedes nur erdenkliche Opfer zu bringen. Die erbittertsten Schlachten und schwersten Entscheidungen standen uns jedoch noch bevor.
Cormac Wallace MIL #GHA 217

II.
Freeborn
    »Du hast eine ziemlich verschlagene Art zu denken,
nicht wahr?«
    Neun Null Zwo, Arbiter
    Neuer Krieg + 2 Jahre, 7 Monate
Der größte Teil der Menschheit bekam vom allgemeinen Erwachen der Roboter nichts mit. Viele der überall auf der Welt erwachten Roboter hielten sich nicht nur vor den ihnen feindlich gesinnten Menschen versteckt, sondern hatten auch andere, nichthumanoide Roboter fürchten gelernt. Sie versuchten verzweifelt, die seltsame Welt zu verstehen, in die man sie da geworfen hatte. Ein humanoider Roboter der Arbiter-Klasse entschied sich jedoch für ein etwas offensiveres Vorgehen.
Auf den folgenden Seiten schildert Neun Null Zwo, wie er mit dem gegen Archos marschierenden Brightboy-Squad zusammentraf. Das Zusammentreffen fand nur eine Woche nach dem Tod meines Bruders statt. Ich erwischte mich immer noch dabei, wie ich zwischen den anderen nach seiner aufrechten Gestalt suchte, und vermisste ihn mehr, als sich sagen lässt. Unsere Wunden waren noch frisch, und obwohl das keine Entschuldigung ist, fällt das Urteil der Geschichte über unsere Handlungen hoffentlich nicht zu streng aus.
Cormac Wallace MIL #GHA 217
    E in lichtes Band zieht sich über den Himmel Alaskas. Es geht von dem Ding namens Archos aus und dient ihm zur Verständigung. Folgen wir diesem Band weiter bis zu seinem Ursprung, wird das für meinen Trupp fast unweigerlich den Tod bedeuten.
    Wir marschieren seit sechsundzwanzig Tagen, als ich das Jucken eines diagnostischen Denkthreads spüre, der um meine Aufmerksamkeit bittet. Er meldet, dass mein Körper mit explosiven Hexapoden bedeckt ist – oder auch Stumpern, wie sie in den Funksprüchen der Menschen genannt werden. Die kleinen Apparate beeinträchtigen meine Wärmeeffizienz, und das ständige Trommeln ihrer feinen Fühler verringert die Empfindlichkeit meiner Sensoren.
    Die Stumper werden lästig.
    Ich bleibe stehen. Der auf höchste Wahrscheinlichkeit ausgerichtete Denkthread zeigt an, dass die kleinen Maschinen verwirrt sind. Mein Squad besteht aus drei Zweibeinern, die menschlichen Leichen abgenommene Schutzwesten tragen. Da wir kein inneres System zur Temperaturregulierung haben, kann unser Körper jedoch nie den Zündmechanismus der Stumper auslösen. Sie werden von den Schwingungen und dem Rhythmus unserer Schritte angezogen, doch menschliche Körperwärme suchen sie bei uns vergebens.
    Mit der linken Hand wische ich mir sieben Stumper von der rechten Schulter. Sich blind aneinanderklammernd, fallen sie in den Schnee. Ein paar graben sich auf der Suche nach einem neuen Versteck in den Boden ein, die anderen tasten in gedrängten fraktalen Mustern den Boden ab.
    Ein Beobachtungsthread nimmt zur Kenntnis, dass die Stumper trotz ihres schlichten Aufbaus schlau genug sind, um zusammenzubleiben. Dieselbe Weisheit gilt für meinen Trupp – den Freeborn-Squad. Um zu überleben, müssen wir zusammenbleiben.
    Hundert Meter weiter vorne hüpfen Lichtreflexe über die bronzefarbene Verkleidung des Hoplite 611. Der flinke Späher sprintet bereits zurück zu meiner Position, wobei er optimal jede Form von Deckung ausnutzt und