Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robotermärchen

Robotermärchen

Titel: Robotermärchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel Mróz
Vom Netzwerk:
hinter die Stadt, dorthin, wo der große Müllhaufen liegt, weißt du? Und drücke sicherheitshalber die Büchse mit einem Stein fest, damit der Skorpion nicht etwa entkommt. Bei der Großen Matrix! Laß dir ja nicht einfallen, diese Büchse zu öffnen, du kämest auf der Stelle um!" „Herr, ich tue, was du befiehlst", sagte Proton, nahm die Büchse, den Lohn und ging. Die Geschichte wunderte ihn, er wußte nicht, was er davon halten sollte, er schüttelte die Büchse, darin rasselte etwas. „Ein Skorpion kann es nicht sein", dachte er, „solche kleinen Skorpione gibt es gar nicht... Wollen sehen, was damit ist, aber nicht gleich..." Er kehrte nach Hause zurück, versteckte die Büchse auf dem Dachboden, bedeckte sie von oben mit alten Blechen, damit seine Frau sie nicht finden konnte, und begab sich zur Ruhe. Seine Frau hatte jedoch bemerkt, daß er etwas auf dem Boden versteckte. Als er am nächsten Morgen das Haus verlassen hatte, um wie immer durch die Stadt zu gehen und zu rufen: „Köpfe verdrahten! Schwänze zu verlöten!", lief sie rasch nach oben, fand die Büchse und hörte, als sie sie schüttelte, einen Metalllaut. „Dieser Schuft, dieser Halunke!" dachte sie. „So weit ist es schon gekommen. Er verbirgt Schätze vor mir." Hastig machte sie ein Loch in die Büchse, konnte aber nichts sehen, also schlitzte sie mit dem Meißel das Blech auf. Und als sie es ein wenig zurückgebogen hatte, erblickte sie pures Gold, es waren Dioptrikus' Orden. Zitternd vor hemmungsloser Gier, riß sie den ganzen Blechdeckel ab, und da bekam Dioptrikus, der bisher wie ein Toter geruht hatte, denn das Blech hatte ihn von seinem Gehirn, das sich in einem Schrank in seinem Palast befand, abgeschirmt, plötzlich Verbindung zu seinem Verstand und rief: „Was ist das? Wo bin ich? Wer wagt mich zu überfallen? Wer bist du, scheußliche Kreatur? Wisse, daß du schrecklich verschraubt umkommen wirst, wenn du mir nicht sofort die Freiheit wiedergibst!"
    Des Drahtbinders Frau, die sah, wie die drei Dukatenorden ihr vor den Augen herumsprangen, wie sie brüllten und ihr mit dem Schwänzchen drohten, erschrak dermaßen, daß sie fliehen wollte; sie sprang zur Dachbodenklappe, und als Dioptrikus noch immer über ihr schwamm und ihr drohte, was das Zeug hielt, und schimpfte, stolperte sie über die oberste Leitersprosse und stürzte mit ihr vom Dachboden. Im Fallen brach sie sich den Hals. Die Leiter kippte mit um, und die Bodenklappe schloß sich wieder; auf diese Weise wurde Dioptrikus auf dem Dachboden gefangen, wo er von Wand zu Wand schwamm und vergebens um Hilfe rief.
    Abends kehrte Proton nach Hause zurück und staunte,
    daß ihn seine Frau nicht mit der Brechstange auf der Schwelle erwartete. Und als er die Wohnung betreten hatte, erblickte er sie und wurde sogar etwas traurig, denn er war über die Maßen anständig; bald jedoch fiel ihm ein, daß sich dieser Unfall zu seinem Vorteil kehren würde, zumal er seine Frau für Ersatzteile verwenden konnte, was sich trefflich auszahlen würde. Er setzte sich also auf den Fußboden, zog den Schraubenzieher hervor und ging daran, die Verblichene auseinanderzuschrauben, als schrille Rufe an sein Ohr gelangten, die von oben zu kommen schienen.
    „Ach!" sagte er sich. „Die Stimme kenne ich, das ist doch
    der Großprogrammierer des Königs, der mich gestern aus dem Palast hinauswarf und mir noch nichts gezahlt hat — aber wie ist er auf den Dachboden gekommen?"
    Er stellte die Leiter an die Klappe, kletterte daran hoch
    und fragte: „Seid Ihr es, Hochwohlgeboren?" „Ja, ja!" rief Dioptrikus. „Ich bin's, mich hat jemand entführt, hat mich überfallen und hat mich in einer Büchse verlötet, eine Frau öffnete sie und erschrak so darüber, daß sie vom Dachboden fiel und dabei die Bodenklappe schloß — ich bin gefangen, laß mich heraus, wer immer du sein magst — bei der Großen Matrix! Ich gebe dir alles, was du willst!" „Ich kenne diese Worte schon, wenn Euer Hochwohlgeboren gestatten, und ich weiß, was sie wert sind", erwiderte Proton. „Ich bin nämlich der Drahtbinder, den du hinauswerfen ließest." Und er erzählte ihm die ganze Geschichte, wie ein unbekannter Magnat ihn zu sich gerufen habe, ihm befohlen habe, eine Blechbüchse zu verlöten und sie auf den Müllhaufen hinter der Stadt zu werfen. Da begriff Dioptrikus, daß es einer der königlichen Minister gewesen sei, am sichersten wohl Amassid. Sogleich begann er, Proton zu bitten und ihn anzuflehen, er möge ihn

Weitere Kostenlose Bücher